Wie arbeitet man mit hypnotischen Metaphern?

Herkunft der Metaphernarbeit

Die Arbeit mit Metaphern, also mit Geschichten, Vergleichen, Symbolen, Anspielungen oder Analogien war die bevorzugte hypnotische Technik des späten Erickson vor allem in seinem letzten Lebensjahrzehnt. Erickson entdeckte, dass sein Gegenüber oft spontan in einen tranceartigen Zustand verfiel, wenn er ihn mit detaillierten und in die Länge gezogenen Geschichten z.B. über seine acht Kinder und zahlreichen Enkelkinder „in eine Trance hinein langweilte“ (Erickson). Diese Methode wandte er oft beiläufig im Gespräch mit Patienten an, ohne dass der Übergang zwischen Wachzustand und Trance-Induktion und zurück erkennbar gewesen ist. Diese Technik der „Konversationstrance“ trug viel zum Ruf Ericksons als Zauberer der Hypnose bei, weil für Außenstehende kaum noch nachzuvollziehen war, wie er durch kunstvolles Einweben suggestiver Elemente in eine Geschichte einen Trancezustand herbeiführte, therapeutisch nutzte und wieder zurücknahm.

Die Anwendung von Geschichten und Metaphern zur Übermittlung von Lebensweisheiten findet sich auch in den alten und neuen Legenden, Mythen und Märchen aller Völker. Ein alter Mythos wäre beispielsweise die Schöpfungsgeschichte, in der Bibel („Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde …“). Moderne Mythen wären zum Beispiel die Comics und Filme von Iron Man oder Wonder Woman.

Formen von hypnotischen Metaphern

  • Eine relativ einfache Form einer hypnotischen Metapher ist die suggestive Verwendung von Symbolen. Ein Symbol ist ein Gegenstand, eine Naturkraft, ein Mensch oder ein Bild. Statt beispielsweise einem Patienten auf abstrakte Weise Gefühle von Stabilität, Festigkeit und Widerstandskraft zu suggerieren, kann man ihn in Trance suggestiv dazu anregen, sich mit einem Baum zu identifizieren, und dann ausführlich seine Stabilität, Festigkeit, Widerstandsfähigkeit, Verwurzeltheit und Ruhe „als“ Baum beschreiben.
  • Eine etwas komplexere Form einer hypnotischen Metapher ist die Analogie. Sie besteht nicht nur aus einem einzelnen Gegenstand, sondern aus einem einfachen Prozess. Beispielsweise könnte ein Hypnotherapeut in einer Trance zum Thema Raucherentwöhnung beiläufig die Entscheidung, Kaugummis statt Zigaretten zu kaufen, analogisieren mit der Alternative zwischen zwei Wegen bei einem Waldspaziergang oder zwischen einer gesunden und einer ungesunden Variante ein Wochenende zu verbringen.
  • Eine hypnotische Geschichte ist komplexer. Sie enthält in der Regel mehrere handelnde Elemente oder Personen, einen Handlungsablauf und eine gewisse Dramaturgie mit Einleitung, Höhepunkt und Auflösung. In eine hypnotische Geschichte lassen sich in die Figuren und Abläufe Elemente des Erlebens des Patienten unterbringen und metaphorisch verändern. Eine bedrohliche Prüfungssituation wird beispielsweise in einen Spaziergang in einem dunklen Wald verwandelt. Der Prüfer wird zum Schatten eines hohen Baumes, der sich bei näherer Betrachtung als harmlos erweist oder sogar eine gute Orientierung im Wald ermöglicht usw.

Hypnotische Geschichten können

  • real erlebte Erfahrungen sein (beispielsweise Geschichten aus der Jugend des Therapeuten, in denen er als Jugendlicher etwas Wichtiges für sein Leben gelernt hat),
  • sie können verfremdet sein (beispielsweise anonymisierte und verfremdete Geschichten von anderen Patienten), oder
  • sie können ausgedacht sein oder
  • Filmen, Märchen, Opern, Theaterstücken oder Archetypen entlehnt sein.

Hypnotische Metaphern können

  • vom Therapeuten detailliert konstruiert, also geplant, strukturiert und vorformuliert sein,
  • sie können aber auch „aus dem Handgelenk“ während der hypnotischen Sitzung improvisiert und in Co-Trance spontan fabuliert

Hypnotische Metaphern können unterschiedliche Größen haben:

  • eine Generalmetapher ist eine Geschichte, um die herum der Hypnotherapeut die ganze hypnotische Sitzung aufbaut, von der Induktion über die Intervention bis hin zur Reorientierung, die hypnotische Sitzung findet also insgesamt in Form einer metaphorischen Geschichte statt,
  • eine Funktionsmetapher wird zur Erreichung eines bestimmten zwecks in einer speziellen Phase der hypnotischen Sitzung eingesetzt, man spricht zum Beispiel von Induktionsmetaphern, Transformationsmetaphern, Posthypnosemetaphern oder Rehorientierungsmetaphern,
  • beiläufige Metaphern sind Formulierungen, die im hypnotischen Monolog eingestreut werden, und die in der Regel nur aus einigen Worten bestehen, beispielsweise: „… du kannst dich entspannen wie an einem wundervollen Strand …“, „… einsinken wie ein Stein, der in einen See geworfen wird …“ oder ähnliches.

Quellen für hypnotische Metaphern

Der Hypnotherapeut kann hypnotische Metaphern aus verschiedenen Quellen entnehmen:

  • aus dem Alltag des Patienten, z.B. aus dessen Liebesbeziehungen, seiner Partnerschaft, Familie, Beruf, Sozialleben, Freizeitgestaltung, kulturellen Interessen usw.,
  • aus Erfahrungen des Therapeuten, z.B. durch anonymisierte und verfremdete Geschichten von anderen Patienten, eigene Lernerfahrungen, Erfahrungen in Eigentherapien, mit eigenen Kindern, mit Freunden, Lehrern usw.,
  • aus archetypischen Mustern, z.B. Märchen, Mythen, Sagen, Geschichten mit einer alten Weisen oder einem alten Weisen, von Reisen in die Unterwelt, Initiationsritualen, mit Sagengestalten usw.
  • durch Variationen einer Standardmetapher, z.B. der „Zauberwiese“, dem Prozess des Schreibenlernens, die Heldenreise, Ovids Metamorphosen oder die Sufi-Löwengeschichte,
  • aus der Natur, z.B. Strand, Wiese, Berg, Sonnenuntergang, Flug eines Vogels, Jahreszeiten usw.,
  • der Kindheit, z.B. Kinderspiele, Schulerlebnisse, Radfahren lernen, kindliche Konfliktbewältigung usw.,
  • aktuelle gesellschaftliche Ereignisse, z.B. aus Zeitungsartikeln, Kinofilmen, Büchern, politischen Ereignissen, der Klatschpresse usw.,
  • esoterische Motive, z.B. Licht, Schwingungen, Heilungsfarben, „vergangene Leben“, spirituelle Meister usw.,
  • Hobbys, z.B. Sport, Fernsehen, Fotografieren, musizieren, Yoga usw.

Die Konstruktion einer hypnotischen Metapher

Hypnotischen Metapher werden konstruiert durch Parallelisierung. Zunächst überlegt sich der Hypnotherapeut, was die zentralen Elemente der hypnotherapeutischen Sitzung auf der realen Ebene sind bzw. sein sollten:

  • der derzeitige Zustand des Patienten (das in dieser Sitzung hypnotisch zu behandelnde Problem oder Thema, die Gefühle und Gedanken des Patienten dazu),
  • relevante Elemente der derzeitigen Situation des Patienten (Beziehungs- und familiäre Situation, soziales Umfeld, Beruf, Ausbildung, Alltagsgestaltung),
  • die therapeutische Beziehung (Erwartungen und Ängste des Patienten dem Therapeuten gegenüber, Empfindungen des Therapeuten dem Patienten gegenüber),
  • der Ziel-Zustand dieser hypnotischen Sitzung bzw. ein erster Schritt in eine gute Richtung (in der Regel ein ressourcenvoller Zustand oder ein erster Schritt aus einem gewohnten, leidvollen Muster heraus),
  • Vorlieben und Abneigungen des Hypnotisanden (was er gerne mag, was er gar nicht mag, wonach er sich im Leben sehnt, wovor er Angst hat),
  • relevante Ressourcen (latente Fähigkeiten oder Erfahrungen des Patienten, was er gut kann, was ihm bei der Bewältigung des zu behandelnden Problems helfen könnte),
  • abgewehrte, vermiedener Anteile (was der Patient vermeidet, was er ausblendet),
  • der angestrebte Transformationsprozess (Veränderungen von Einstellungen und Verhalten vom derzeitigen Zustand des Patienten zum angestrebten Zielzustand hin).

Dann verwandelt der Hypnotherapeut diese Elemente Schritt für Schritt in eine Metapher. Aus den Elementen des aktuellen Zustandes, des Transformationsprozesses und des Zielzustandes werden also Elemente einer Geschichte, die von einem (problematischen) Anfangszustand über einen Transformationsprozess zu einem „erstrebenswerten“ Zielzustand führt.

In diese Geschichte kann der Hypnotherapeut direktive Suggestionen einbetten, die aber aus der Perspektive des Patienten nicht ohne weiteres als Suggestionen erkenntlich sind, sondern für ihn als Teil der Geschichte erscheinen, zum Beispiel: „… und der alte Weise sagt zu dem Bauernjungen: ‚du bist stark‘, und der Bauernjunge geht zu der wackeligen Holzbrücke, und er sagt zu sich: ‚du kannst das‘, und er geht Schritt für Schritt hinüber …“ usw.

In die Geschichte können suggestive Hinweise eingebettet werden, die durch subtile Veränderungen der Stimmlage gegenüber dem Unbewussten des Patienten hervorgehoben werden. Erickson beschreibt die Technik des „analogen Markierens“ durch Stimmveränderungen erstmals im Fallbericht eines krebskranken jungen Gärtners, dem er einen endlosen Sermon über Tomatenpflanzen und Anbaumethoden erzählte. In diesen Sermon streute Erickson die zu vermittelnden Suggestionen (z.B. „ruhen“, „lebendig“, „Wohlgefühl“ usw.) ein. Wann immer in seinem hypnotischen Monolog die zu vermittelnden Suggestionen vorkamen, ließ er seine Stimme etwas ruhiger, tiefer und weicher werden, um die Worte an das Unbewusste des Patienten zu adressieren.

Es können auch mehrere Metaphern aufeinanderfolgen, oder mehrere Metaphern können ineinander verschachtelt sein, ähnlich wie die Geschichten von Scheherazade in „1001 Nacht“. Der Therapeut beginnt mit einer Geschichte, dann beginnt er eine zweite Geschichte innerhalb der ersten Geschichte und dann eine dritte innerhalb der zweiten und das ganze wieder rückwärts. Die am tiefsten in der Verschachtelung eingebettete Metapher wirkt in der Regel am stärksten amnestisch, d.h., dass der Patient sie im Nachhinein nicht mehr erinnert, sie wirkt also am tiefsten in seinem Unterbewusstsein.

Wichtig ist, dass die Metaphern sowohl zum Patienten als auch zum Therapeuten passen müssen. Spezielle Interessen und Abneigungen, das Lebensalter, das Geschlecht, die Sprachfähigkeit, die soziale und kulturelle Herkunft, gruppenspezifische Sprachmuster und Denkweisen des Patienten (und des Therapeuten) sollten berücksichtigt werden:

  • Mit einem 16-jährigen Kreuzberger Punk spricht man anders als mit einer 72-jährigen Nonne.
  • Es macht keinen Sinn, einem vierjährigen Kind eine hochintellektuelle Metapher aus einer aktuellen philosophischen Debatte zu erzählen.
  • Ebenso wenig Sinn macht es, wenn ein Hypnotherapeut versucht, eine hypnotische Metapher zu konstruieren, der aus die aus der Raumschiff-Enterprise-Welt stammt, obwohl er selbst diese Serie nie gesehen hat.

Es geht allerdings nicht primär darum, welche Metaphern man für welchen Patienten erzählt, sondern primär darum, dass man sie auf eine Weise und in einer Sprache erzählt, die der Patient versteht, und die ihn erreicht, und darum, wie man in diese Metapher Suggestionen verpackt. Mit gewissen Einschränkungen kann man praktisch jedem Patienten praktisch jede Metapher erzählen, wenn man sie patientenorientiert angemessen zuschneiden:

  • Auch (und gerade) einem vierjährigen Kind kann man vom Weltraum erzählen.
  • Auch ein Hypnotherapeut, der noch nie geritten ist, kann, wenn auch auf relativ vage Weise, eine Pferdemetapher erzählen.

Eine hypnotische Metapher sollte sich in einem mittleren Abstand zu dem realen Thema bewegen, das metaphorisiert werden soll:

  • Eine Metapher, die zu nah an dem zu metaphorischeren Thema dran ist (Beispiel: Raucherentwöhnung = rauchender Schornstein), ist auch in Trance zu leicht zu durchschauen, damit kommt der spezielle Effekt der metaphorischen Hypnose gar nicht zum Tragen, es besteht die Gefahr, dass der Patient sich nicht ernst genommen fühlt.
  • Ist die Metapher dagegen von dem zu metaphorischeren Thema zu weit entfernt, kann es passieren, dass der Patient bzw. sein Unterbewusstsein in Trance keinen Zusammenhang zu dem zu behandelnden Problem herstellen kann. Er hört dann einfach eine für ihn belanglose Geschichte, die keinen spürbaren therapeutischen Effekt in ihm hat.

Anwendungen hypnotischer Metaphern

Metaphern können angewandt werden, um therapeutische Suggestionen so zu verpacken, dass sie an einem potentiellen Widerstand des Patienten vorbeigehen. Scheinbar hat der Hypnotiseur dem Hypnotisierten ja gar keine Suggestionen übermittelt, er hat lediglich eine belanglose Geschichte erzählt. Warum sollte man sich dagegen wehren? Geschichten und Metaphern entsprechen außerdem besser dem traumartigen, surrealistischen Erleben in Trance.

Metaphern können in verschiedenen Phasen der Trance-Induktion eingesetzt werden:

  • zum Säen einer später kommenden Suggestion noch im Wachzustand,
  • in der Induktionsphase, um den Übergang in die Hypnose hinein zu erleichtern,
  • zur Vertiefung der Trance,
  • um eine therapeutische Intervention zu übermitteln, oder
  • um den Patienten wieder in den Wachzustand zu reorientieren.

Meistens werden Metaphern verwandt, um einem Patienten, der sich bereits in Trance befindet, therapeutisch wirkende Suggestionen zu übermitteln. Wenn der Patient im Wachzustand ist, denkt er vorwiegend rational und kann daher die in einer Geschichte verpackten Hinweise in der Regel nicht optimal nutzen. In einer leichten bis mittleren Trance hat er wesentlich besseren Zugang zu lebhaft ausgemalten Phantasien und kann deren Botschaften leichter in sich hereinnehmen. In tieferen Trancezuständen kann der Patient hypnotische Träume erleben, die durch Geschichten und Metaphern des Hypnotiseurs stimuliert sind.

Metaphern dienen dazu, Suggestionen, die im wohlverstandenen Interesse des Patienten vermittelt werden, auf eine indirekte Weise darzubieten, so dass sie geeignet sind, problemaufrechterhaltende Muster des Patienten gleichsam zu umgehen, um unmittelbar in dessen Unterbewusstsein zu gelangen bzw. mit diesem auf indirekte Weise zu kommunizieren.

Hypnotische Metaphern können beispielsweise angewandt werden:

  • im Rahmen von Fantasiereisen,
  • zur Stimulation der Eigenaktivität des Unbewussten des Patienten, das die suggestive Botschaft ja aus der erzählten Geschichte heraus aktiv rekonstruieren bzw. konstruieren muss,
  • zur Aktivierung latenter Fähigkeiten,
  • um abgewehrte Anteile zu kontaktieren und zu integrieren,
  • um Themen anzusprechen oder Suggestionen zu übermitteln, die man schwer in direkter Sprache ausdrücken kann, z.B. um emotionale Stimmungen oder psychische Zustände zu suggerieren,
  • um sensible Themen dezent anzusprechen, die mit Scham- oder Schuldgefühlen belegt sind, oder die mit einer Empfindung großer Verletzlichkeit einhergehen (bspw. Erfahrungen von Misshandlung oder Grenzüberschreitungen),
  • zur Suggestion eines sinnvollen ersten Schritts in eine gute Richtung,
  • um dem Patient ressourcenvolle Aspekte eines stabilen Selbstbilds zu vermitteln,
  • um konstruktive kognitive Einstellungen zu vermitteln,
  • um auf indirekte Weise Handlungsimpulse suggestiv zu vermitteln,
  • allgemein um Suggestionen lebendig werden zu lassen, damit sie intensiver wirken.

Werner Eberwein