Wie arbeitet man körperpsychotherapeutisch mit Berührung?
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Körperpsychotherapeutische Berührung muss behutsam angewandt werden
Im Rahmen der Körperpsychotherapie kann die Arbeit mit Berührung dazu dienen, die Wahrnehmung der Klientin/des Klienten für ihren/seinen Körper, für ihre/seine Präsenz und ihre/seine Gefühle zu fördern. Berührung kann als Medium der nonverbalen Kommunikation genutzt oder zur Stimulation von Ausdrucksbewegungen eingesetzt werden. Sie kann in Form von Massage den körperenergetischen Zustand aktivieren, harmonisieren oder beruhigen. Berührung kann Halt gebende Zuwendung und Fürsorge sein oder eine therapeutische Regression fördern. Sie kann geschützte korrektive Erfahrungen mit körperlichem Kontakt ermöglichen oder einen nonverbalen Kommunikationskanal zu Erlebnisschichten unterhalb des kognitiv-sprachlich Zugänglichen eröffnen.
Wahrnehmungsfördernde Berührung
Bei wahrnehmungsfördernde Berührungen geht es darum, die Selbstwahrnehmungsfähigkeit des Klienten für seinen eigenen Körper zu stärken und ihn mit seinem Körper und mit seinen Gefühlen in Kontakt zu bringen.
Beispiel: Eine Klientin berichtet aufgeregt, sie habe ein Wochenende mit ihrer Schwester und ihrer Mutter verbracht und sich mit beiden heftig gestritten. Die Klientin wirkt aufgelöst und redet wie ein Wasserfall, aber ohne wirklichen Gefühlskontakt zu sich selbst. Nachdem ich ihr etwa 10 Minuten zugehört habe, bitte ich sie, ihren Redefluss zu unterbrechen, sich hinzulegen und in sich hineinzuspüren. Sie sagt: „Ich habe Angst.“ Ich frage sie, wo sie die Angst körperlich spüre. Sie deutet in die Magengegend. Ich lege vorsichtig meine Hand auf diese Stelle. Die Klientin beruhigt sich etwas. Nach einigen Minuten werden ihre Augen feucht, und sie sagt: „Es ist so traurig. Wir haben uns doch eigentlich lieb.“ Die Berührung hat ihr geholfen, vom Darüber-Reden zu ihren Gefühlen zu kommen.
Ausdrucksfördernde Berührung
Im Rahmen von ausdrucksfördernder körperpsychotherapeutischer Arbeit kann Berührung eingesetzt werden, um Verspannungen zu lockern oder um Emotionen eine Richtung zu geben, um Halt, Sicherheit und Grenzen zu geben, um Festhaltemuster zu „übernehmen“, oder um Ausdrucksimpulsen Widerstand zu geben.
Beispiel: Ein Klient berichtet, er sei angenervt von sich selbst, weil er sich gefangen fühle in der Rolle des immer braven, netten Kerls. Ich bitte ihn, sich hinzulegen und zu spüren, wo er die Angenervtheit in seinem Körper wahrnimmt. Er deutet auf seinen Bauch und sagt: „Hier sitzt es … es will heraus.“ Ich lege meine Fingerspitzen auf seinen Bauch und lockere mit einer leichten, vibrierenden Bewegung die Spannungen seiner Bauchmuskulatur. Der Klient beginnt, tiefer zu atmen und bewegt seine Hände in schlangenartigen Greifbewegungen in der Luft. Ich frage ihn: „Wie fühlt sich das an?“ Er antwortet: „Da ist etwas wie eine Krake in meinem Bauch … es kommt nur bis hierher und bleibt hier stecken“, der Klient zeigt dabei mit der Hand auf seine Kehle. Ich massiere leicht den Solarplexus und die Zwerchfellregion und streiche über Brustbein, Kehle und Kinn bis zum Mund. Der Klient äußert zunächst würgende, dann wütende Geräusche. Er tritt mit den Beinen in die Luft und sagt: „Die Krake tritt mich von innen … sie sagt zu mir: ‚hau auf den Tisch, sei ein Mann!’“ Die Aggression, die der Klient zu Beginn innen festgehalten und gegen sich selbst gerichtet hatte, beginnt, eine Richtung zu finden.
Symbolische Berührung
Symbolische Berührung findet in der Körperpsychotherapie in der Regel im Rahmen eines improvisierten Rollenspiels statt. Symbolische Berührungen drücken eine Beziehungsdynamik mit Hilfe einer Körpersymbolik aus.
Beispiel 1: Ein sehr großer, kräftiger Klient berichtet, er fühle sich Männern gegenüber oft unterlegen, wie geschrumpft und eingeigelt in einem Gefühl der Unfähigkeit. Ich bitte ihn, dieses Gefühl körperlich auszudrücken. Er krümmt sich auf dem Boden zusammen und zieht den Kopf ein. Er sagt: „Ich fühle mich wie ein Sklave, der für die Großartigkeit anderer Männer herhalten muss.“ Ich lege ein großes Kissen auf seinen Rücken, setze mich vorsichtig darauf und „mache es mir dort bequem“. Der Klient sagt: „Ja genau, so fühlt sich das an … ich schäme mich, dass ich das immer wieder mit mir machen lasse“. In der Folge befreit sich der Klient aus seiner würdelosen Haltung. Ich lade ihn ein, sich auf die selbe Weise auf meinen Rücken zu setzen und zu erfahren, wie sich das anfühlt (nicht gerade angenehm …) Die Körpersymbolik lässt eine Beziehungs- und Übertragungsdynamik unmittelbar erlebbar und bearbeitbar werden.
Beispiel 2: Eine Gruppenteilnehmerin mit Migrationshintergrund verbrachte ihre ersten Lebensjahre bei ihren Großeltern in einem arabischen Land. Sie fühlte sich von ihren Eltern alleingelassen. Sie reagiert sehr ablehnend auf eine andere Gruppenteilnehmerin, die sie an ihre Cousine aus der damaligen Zeit erinnert, und die die Lieblingsenkeltochter des Großvaters war. Ich setze mich auf ein Kissen leicht erhöht schräg hinter die zweite Gruppenteilnehmerin, streiche dieser symbolisch übers Haar wie ein Großvater seiner Enkelin und schaue dabei wie unbeteiligt zu der ersten Gruppenteilnehmerin hinüber. Diese sagt: „Es macht mich wahnsinnig, das so zu sehen … ich gebe es nicht gerne zu, aber ich bin total eifersüchtig.“ Die symbolische Berührung hat das emotionale Erleben einer alten Beziehungsdynamik aktiviert, was in der Folge berarbeitet wurde.
Massage
Massage im Rahmen einer Körperpsychotherapie kann unmittelbar wohltuend und stressreduzierend wirken, aber sie wirkt zugleich auch psychodynamisch. Sie kann dem Klienten helfen, sich in seinem Körpergefühl zu verwurzeln und sich seiner körperlichen Regungen bewusster zu werden. Massage kann eingekapselte, blockierte oder gestaute Lebensenergie zum Fließen bringen. Sie kann die psychosomatischen Selbstheilungsfunktionen des Körpers aktivieren, körperliche Fehlhaltungen korrigieren, einschränkende Atemmuster befreien, die Integration von Denken und Fühlen fördern, psychosomatische Beschwerden lindern oder Klienten nach traumatischen Ereignissen helfen, sich zu stabilisieren und zu vitalisieren. Sie kann helfen, verhärtete, gepanzerte Muskelpartien zu lockern, Klienten in Auflösungszuständen Halt geben oder Stauungen im Gewebe lösen. Sie kann die Körperabwehr lockern, so dass unbewusstes Material leichter ins Gewahrsein eintritt. Sie kann die Ich-Stabilität stärken, so dass sich die Integrität des Ich gegenüber dem Unbewussten und gegenüber äußeren Einflüssen festigt.
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Werner Eberwein
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