Was versteht man psychologisch unter einer Person?

In der Psychologie versteht man unter einer Person ein ganzheitliches, individuelles Wesen mit einzigartigen Eigenschaften, das sich durch Denken, Fühlen, Handeln, Erleben und soziale Beziehungen auszeichnet. Der Begriff ist mehrdimensional und kann auf verschiedenen Ebenen betrachtet werden:

1. Individuum mit psychischen Eigenschaften

Eine Person hat:

  • Bewusstsein und Selbstbewusstsein („Ich bin Ich“)
  • Kognitive Fähigkeiten wie Denken, Erinnern, Planen
  • Emotionen und Stimmungen
  • Motivation und Bedürfnisse (z. B. nach Bindung, Autonomie, Anerkennung)
  • Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Extraversion, Gewissenhaftigkeit)

2. Subjekt in Entwicklung

Aus entwicklungspsychologischer Sicht ist eine Person kein statisches „Etwas“, sondern:

  • verändert sich über die Lebensspanne
  • bildet Identität, Werte und Selbstkonzepte aus
  • integriert Erfahrungen in ein persönliches Lebensnarrativ

3. Soziales Wesen

Psychologisch gesehen ist eine Person auch immer in soziale Kontexte eingebunden:

  • wird durch Beziehungen geformt (z. B. Bindungstheorie)
  • agiert in Rollen (Kind, Freund, Therapeutin …)
  • steht im Austausch mit anderen (z. B. über Sprache, Empathie, Konflikt)

4. Ganzheitliches Selbst

In humanistischen Ansätzen (z. B. Carl Rogers) wird die Person als ein:

  • einzigartiges, wachstumsfähiges Selbst verstanden
  • mit einem inneren Streben nach Selbstverwirklichung, Kongruenz und Sinn

Fazit:

„Person“ in der Psychologie ist mehr als nur ein „Mensch“ – sie ist ein einzigartiges, bewusstes, fühlendes und soziales Wesen, das sich selbst erlebt, verändert, gestaltet und in Beziehung steht.

1. Psychoanalyse (z. B. Freud, Jung, Lacan)

In der psychoanalytischen Sichtweise ist die Person ein innerlich gespaltenes, konflikthaftes Wesen, dessen Verhalten stark vom Unbewussten geprägt ist.

Wesentliche Merkmale:

  • Unbewusstes prägt Denken, Fühlen, Handeln (Triebe, Verdrängungen, innere Konflikte)
  • Die Person ist keine „geschlossene Einheit“, sondern besteht aus psychischen Instanzen:
    • Es (Triebe, Lustprinzip)
    • Ich (Vermittler, Realitätssinn)
    • Über-Ich (Normen, Schuldgefühle)
  • Entwicklung durch frühe Kindheitserfahrungen (z. B. Ödipuskomplex)
  • Identität und Ich-Struktur bilden sich durch Bewältigung innerer Konflikte
  • Die Beziehung zu anderen Personen (Objekte) ist zentral: „Objektbeziehungstheorie“

Die Person ist eine tief strukturierte psychodynamische Innenwelt mit Vergangenheit, Abwehrmechanismen und inneren Spannungen.

2. Behaviorismus (z. B. Watson, Skinner)

Im klassischen Behaviorismus wird die Person nicht durch innere Zustände, sondern durch äußeres, beobachtbares Verhalten definiert.

Wesentliche Merkmale:

  • Die „Person“ ist ein Bündel von erlernten Verhaltensweisen
  • Fokus auf Reiz-Reaktions-Schemata und Verstärkung
  • Persönlichkeit = Summe aller gelernten Reaktionen auf Umweltreize
  • Innere Zustände (z. B. Gefühle, Gedanken) gelten als nicht wissenschaftlich messbar, also irrelevant
  • Später im kognitiven Behaviorismus (z. B. Bandura): Einbezug von Selbstwirksamkeit, Lernen am Modell

Die Person ist das Produkt ihrer Lerngeschichte – veränderbar durch neue Erfahrungen und Reize.

3. Systemische Sichtweise

In der systemischen Psychologie und Therapie wird die Person als Teil eines sozialen Systems verstanden – sie existiert nicht isoliert, sondern in wechselseitigen Beziehungen.

Wesentliche Merkmale:

  • Die Person ist Mitglied mehrerer Systeme (Familie, Arbeit, Kultur …)
  • Bedeutung entsteht durch Kommunikation – „Der Mensch ist ein Bedeutung erzeugendes Wesen“
  • Identität ist relational: Wer ich bin, hängt davon ab, in welchen Rollen, Kontexten und Beziehungen ich mich bewege
  • Probleme und Symptome sind nicht „in der Person“, sondern Ausdruck gestörter Beziehungsdynamiken
  • Fokus auf Ressourcen, Lösungen und Perspektivwechsel

Die Person ist ein Beziehungsknotenpunkt in einem Netzwerk sozialer Bedeutungen und Muster.

Vergleich:

PerspektivePerson als …Innen/außenVeränderung durch …
PsychoanalyseKonflikthaftes, unbewusst gesteuertes IchInnenweltEinsicht, Deutung, Beziehung (Übertragung)
BehaviorismusReaktionsbündel auf Reize, erlerntes VerhaltenAußenweltNeue Lernprozesse, Verstärkung
SystemikKonstrukt in BeziehungssystemenZwischenweltKontextveränderung, neue Kommunikation

Werner Eberwein