Was ist Teile-Arbeit?

Teile

Unter „Teile“ (Subpersönlichkeiten, Persönlichkeitsteilen, Ich-Zuständen, Geistesformationen, Gewohnheitsmuster, Schemata, Ich-Anteile, Ego-States, Archetypen) wird verstanden: eine eigenständige Einheit von wiederholenden Gedanken-, Gefühls- und Verhaltensmuster in uns.

Wenn man von Teilen einer Persönlichkeit spricht, dann sagt man zum Beispiel „ich stehen neben mir“, oder „wenn ihr auf die Bühne tritt, ist er plötzlich ein anderer Mensch“ oder „ich kämpfe wie ein Tiger“.

Im Zentrum des Bewusstseins gibt das eine Instanz, die heißt „das Selbst“ (das Bewusstsein, das beobachtende Ich, der Zeuge, die Achtsamkeit, der Kern unseres Seins, das achtsame Gewahrsein, die mitfühlende Verbundenheit, eine zuversichtliche Klarheit, der Dirigent, die Zentriertheit). Mit dem Selbst können wir entweder ein passiver Beobachter unserer Stimmungen sein oder ein aktiv Handelnder.

Wenn man einen Teil von sich kennen lernen möchte, dann kann man zu sich mit seiner inneren Stimme zum Beispiel sagen:
„Wenn Sie in sich ein Bild von diesem Teil, der X macht, entstehen lassen, wie sähe es aus?“ … wobei X verschiedene Dinge repräsentieren kann, zum Beispiel:
– der wütend ist, müde, gleichgültig, der sich freut …
– der fähig ist zum Beispiel zu Beziehungsgespräche, Finanzbuchhaltung, …
– der gut ist in Beobachten, Kontrollieren, Leistungen erbringen, …
– der Widerstand leistet, kritisch ist, ein Nörgler ist, Zweifel hat …
– der weise ist, Intuition hat, schlau ist …

Manchmal sind wir mit dem Teil sozusagen „verschmolzen“, wir sind ärgerlich, traurig, freudich, begeistert usw. Das ist, was positive Teile anbetrifft, zwar kein Problem, aber was negative Teile anbetrifft, schon. Das ist gleichsam so, wenn in einem Computer eine Software „hängt“, so dass wir, wenn wir Tasten drücken, nichts bewirken können. Da hilft nichts: wir müssten den Rechner neu starten. Auf Menschen übertragen, deren Teile „hängen“, dann wäre das, wenn wir einen kleinen Spaziergang machen, einen Tasse Tee trinken, ein Nickerchen machen oder ähnliches.

Wenn die Teile „hängen“ dann sind sie extrem und nicht ausbalanciert:
– Aus einem starken Teil wird ein selbstzerstörerischer Teil.
– Aus einem Teil, mit der Fähigkeit, nach vorne zu schauen und Gefahren und Risiken zu erkennen, wird ein permanent beunruhigter Teil.

Eine gute Übung für die ausbalancierten von Teilen ist die innere Achtsamkeit. Sie fördert das Gewahrsein von Teilen, ohne sich damit zu verschmelzen. In innerer Achtsamkeit kann ein Teil bemerkt werden, oder, wenn er zu stark ist, kann ein innerer Dialog mit dem Teil geführt werden, um herauszufinden, was ihn gerade so aktiv sein lässt.

  • Der innere Richter– oder Kritiker-Teil hat die Aufgabe, uns bei der Anpassung an gesellschaftlichen Normen zu helfen.
  • Der rebellische Teil hat die Aufgabe, gegen gesellschaftliche Erwartungen aufzubegehren, damit wir eine individuelle Identität entwickeln können.
  • Der Multtasking-Teil hat die Aufgabe uns zu unterstützen in mannigfaltigen Aufgaben die wir alltäglich erfüllen müssen.
  • Der Manager- oder Bestimmer-Teil hat die Aufgabe, hat die Aufgabe, uns zu erinnern, was zu tun ist.
  • Der Prioroty-Teil auf hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, uns zu erinnern, was das Wichtigste ist.

Man kann eine Teile-Landkarte erstellen indem man beispielsweise eine Collage gestaltet. Man kann Bilder aus Zeitschriften oder aus dem Internet verwenden, oder auch eigene Bilder zeichnen oder malen und Charakterisierungen des Teils dazuschreiben. Man kann die Teile in einer Struktur grafisch darstellen: die Teile nah beisammen, falls sie zusammengehören oder weit auseinander, wenn sie verschieden sind oder in Konflikt stehen und die Größe variieren analog zu der Wichtigkeit der Teile.

Bündnisse oder Koalitionen zwischen Teilen treten häufig auf:
– Ein „guter Junge“-Teil, der stets Gutes tun,
– ein Helfer-Teil der hilfsbereit ist,
– ein „stabiler Teil“, der keinen Schmerz kennt und niemals müde wird
könnten zum Beispiel Bündnisse bilden.

In der Therapie kann es gelingen, die einzelnen Teile anzusprechen, sie zu fragen, was sie erleben und zum Beispiel durch tiefe Trauer und Schmerz durchgehen.

Es kann ein innerer Dialog geführt werden zwischen den Teilen mit dem Versuch, eine Lösung zu erarbeiten. Sollte das nicht gelingen, so kann es sinnvoll sein, tiefer in die einzelnen Teile einzudringen, bis zum dem Trauma, was sie erzeugt hat.

Wir können davon ausgehen, dass ein Teil immer, ausnahmslos immer eine „positive Absicht“ hat, weil das nun mal Teile von einem selbst sind! Der Klient kann den Teil zum Beispiel fragen: „Was ist deine Aufgabe?“, „Was, befürchtet der Teil, würde geschehen, wenn er aufhörte zu tun, was er tut?“.

Die Teile haben vier Dimensionen: eine körperliche, eine emotionale, eine verbale (kognitive) Dimension und eine imaginative (visuelle) Dimension:
– Die körperliche Dimension kann zum Beispiel bestehen in einer Spannung in Nacken oder einen Druck in Magen oder eine Last auf den Schultern.
– Die emotionale Dimension ist die Gefühlsebene wie zum Beispiel Angst, Wut, Freude, Sorgen, Verlangen usw.
– Die verbale (kognitive) Dimension ist das, was der Teil sagt oder sagen möchte wenn er aktiviert ist.
– Die imaginative oder visuelle Dimension eines Teils ist eine bildliche Vorstellung von dem Teil.

Nachdem ein Teil Gestalt angenommen hat, der der Therapeut den Klienten darum, ein wenig Abstand zu dem Teil einzunehmen, um nicht „in“ dem Teil zu sein, sondern den Teil zu „sehen“. Das Selbst oder einen Teil kann auch aufgefordert werden, sich ein einen „sicheren Ort“ zu begeben, wenn der Teil zu bedrohlich ist.

Dann kann der Therapeut den Klienten auffordern, mit Neugier und Mitgefühl den Teil zu erkunden, was der Teil erlebt, die Geschichte des Teils, was er möchte, was er tut und was er nicht tut. Der Klient kann auch andere Teile bitten, einem Bedürftigen Teil zu helfen.

  • Verbannte Teile sind Teile, die keinen Zugang zu dem selbst haben. Sie sind im Unterbewusstsein vergraben und ist schwer, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen.
  • Feuerbekämpfer sind Teile, die den Schmerz auslöschen sollen.

Die innere Weisheit (innerer Wegweiser, innere Führung) ist ein Teil, der eine Tiefe Intuition hat. Das kann ein Tier sein, eine Naturkraft, ein Objekt, eine Person deines Lebens, eine imaginierte Person, ein Objekt oder ähnliches. Beispiele: ein roter Ball, eine Eule, Otto Kernberg, der Wind.

Beispiel: Ein Genussschwein-Teil will ein Ferrero-Rocher (eine Praline) haben. Ein Ernährungsberater-Teil, ein Fitnesstrainer-Teil, das Attraktivitätsmaner-Teil und ein Richter-Teil sehen das aber ganz anders. Ein Kontroll-Teil hat verschiedene Möglichkeiten einzugreifen: Wenn man sich in dem Spiegel betrachtet, könnte der Kontrollteil sagen, „es ist genug“. Der Persönlichkeitsentwicklung-Teil schlägt vor, einen Zettel mit „denk nach“ an die Ferrero-Rocher- Packung zu kleben. Vielleicht in ignoriert der Genussschwein-Teil das, was die innere Persönlichkeitsentwicklung-Teil sagt, ignoriert das Post-it und verspeist den Ferrero-Rocher.

Eine Multiple Persönlichkeitsstörung ist durch eine Abspaltung charakterisiert, wobei sich einzelne Teile aus dem Erleben dissoziieren. Die Person weiß nicht was sie tut, wenn sie in einem anderen Zustand ist. Das ist meistens die Folge von schwerer Traumatisierung in der Kindheit:

“Die dissoziative Identitätsstörung (DIS) (nach DSM-5 und ICD-11) ist dadurch gekennzeichnet, dass verschiedene Persönlichkeitszustände (dissoziative Identitäten) abwechselnd die Kontrolle über das Denken, Fühlen und Handeln eines Menschen übernehmen. Diese Identitäten verfügen über eigene Charaktereigenschaften, Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Wahrnehmungs- und Denkmuster. Zusätzlich treten Erinnerungslücken zu Ereignissen oder persönlichen Informationen auf, die nicht mehr durch gewöhnliche Vergesslichkeit erklärbar sind.“ (Wikipedia: „dissoziative Identitätsstörung“)

Literatur

Holmes, T. (Autor), Holmes, L. (Autor), Eckstein, S. (Illustrator): Reisen in die Innenwelt: Systemische Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen, Kösel-Verlag 2019

Werner Eberwein