Was ist PNF?
Definition
PNF (Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation = „innere Sinnesorgan Nerv-Muskel Erleicherung“) ist eine physiotherapeutische/ergotherapeutische und logopädische Behandlungsmethode, die bei Patienten aller medizinischen Fachbereiche Anwendung findet, bei denen das Bewegungsverhalten durch eine Erkrankung, Verletzung, Operation oder Degeneration gestört ist.
Einzelheiten
Ihr Körper verfügt über unterschiedliche Sinnesorgane. Durch die so genannten Bewegungsfühler (Rezeptoren) nehmen Sie wahr, wie Ihr Körper sich bewegt oder in welcher Position er sich befindet (propriozeptiv). Daher wissen Sie, ohne hinzusehen, ob Sie zum Beispiel Ihr Knie gerade strecken oder beugen. Eine PNF-Therapie regt diese Rezeptoren in Gelenken, Muskeln und Sehnen durch gezielte Stimulation an und aktiviert sie. Durch die Stimulation wird die Wahrnehmung gefördert, sie ist entscheidend für Bewegungsorganisation.
Die PNF nutzt vor allem Sinnesorgane, die in den Muskel-, den Gelenken und den Sehnen sitzen, die Informationen über die Haltung und Bewegung des Körpers an das Zentrale Nervensystem weiterleiten (Propriozeptoren), und auch Sinnesorgane, die Reize verarbeiten, die von außen auf den Körper treffen (Exterozeptoren), Augen und Ohren (Telerezeptoren).
Ziel des PNFs ist es, durch verstärkte Erregung der Sinnesorgane das Zusammenspiel von Nerven und Muskeln (neuromuskulär) zu fördern und damit physiologische Bewegungsmuster zu erleichtern, die im Zentralnervensystem abgespeichert sind.
Fazilitation ist eine Technik, die dem interaktiven Lernprozess zur Erleichterung und Ermöglichung einer neuromuskulären Funktion bzw. Alltagsaktivität dient.
In der Praxis führt der Therapeut mit dem Patienten ein Bewegungsmuster, an einem Körperabschnitt, der weitgehend gesund ist, gegen einen angepassten Widerstand, aus.
Dieses gesunde Bewegungsmuster wird vom Zentralnervensystem als ein Teil eines komplexen Bewegungsmusters (wie zum Beispiel einer Phase des Gangablaufs) erkannt. Daraufhin sendet das Zentralnervensystem die entsprechenden Informationen für die Muskelaktivität an alle anderen Körperabschnitte. Man spricht auch von einer gezielten, z.B. gangtypischen Irradiation, da die Gesamtbewegungsmuster des Gehens nach der sensomotorischen Entwicklung als Kind im Zentralnervensystem abgespeichert werden.
Geschichte
Die PNF wurde in den Jahren von 1946 bis 1951 vom Neurophysiologen Herman Kabat und der Physiotherapeutin Margaret Knott in Vallejo/Kalifornien entwickelt.
Zunächst wurden mit ihrer Hilfe lediglich Kinderlähmungspatienten und Patienten mit multipler Sklerose behandelt. Man erkannte aufgrund guter Erfolge jedoch, dass es bei allen Patienten wirkt, bei denen das gesunde Bewegungsverhalten gestört ist.
In Deutschland wurde die PNF vor allem von Liselotte Ozarcuk weiterentwickelt.
Ziele
Die PNF hat das Ziel, krankhafte Bewegungsabläufe wieder zu gesunden Bewegungsabläufen zurückzuführen. Sie nutzt die Tatsache, dass die physiologischen Bewegungsmuster der Körperabschnitte und die Gesamtbewegungsmuster im zentralen Nervensystem abgespeichert sind.
Alle Bewegungsmuster zeichnen sich durch eine festgelegte Dreidimensionalität aus. Bei den Bewegungsmustern der Arme und Beine ist in physiologischen Mustern immer auch eine beugende oder streckende Komponente des Ellbogens bzw. des Kniegelenks dabei.
Behandlungsziele sind:
- Muskelspannung normalisieren (z. B. Spastizität herabsetzen oder schwache bzw. gelähmte Muskeln aktivieren) = fazilitieren
- Fördern der motorischen Kontrolle
- Fördern der Mobilität
- Fördern der dynamischen Stabilität, Ausdauer, Kraft
- Fördern der Geschicklichkeit, Koordination
- Wiederherstellung gesunden Bewegungsverhaltens
Praxis
In der praktischen Anwendung wählt man einen sich möglichst physiologisch bewegenden Körperabschnitt aus und führt mit genau festgelegten taktilen Reizen ein physiologisches Bewegungsmuster aus, indem man den Patienten aus der korrekten Vordehnung des Musters gegen einen angepassten dreidimensionalen Widerstand bis in die Endstellung des Musters bewegen lässt. Während der Durchführung werden Berührungs-, Druck-, Muskeldehnungs-, Sehnenspannungs- und Lagesinnrezeptoren gezielt gereizt.
Die summierten Reize des Bewegungsmusters werden über das periphere Nervensystem zum Zentralen Nervensystem geleitet. Dort wird ein einzelnes Bewegungsmuster als ein Teil eines Gesamtbewegungsmusters erkannt, woraufhin das ZNS die entsprechenden Aufträge für eine muskuläre Aktivität in alle anderen am Gesamtbewegungsmuster beteiligten Körperabschnitte sendet.
Es kommt zur physiologischen Ausstrahlung in die Körperabschnitte, die vorher von der Bewegungsstörung betroffen waren und gesunde Bewegung wird angebahnt. Sobald die gesunden Reaktionen in geringem Ausmaß sichtbar sind, wird direkt an dem betroffenen Körperabschnitt gearbeitet.
Speziell die Drehungen bei den Bewegungen werden gezielt hervorgehoben, um den Muskelverläufen optimal gerecht zu werden.
Am Beginn jeder physiotherapeutischen Behandlung durch PNF steht die „Befundung“ Ihrer Bewegungsfähigkeiten. Sodann besprechen Sie mit dem Therapeuten oder der Therapeutin, welche körperlichen Fähigkeiten Sie verbessern möchten und formulieren gemeinsam eine Zielvereinbarung.
Die PNF-Therapie darf nur von speziell dafür weitergebildeten Physiotherapeuten durchgeführt werden.
Indikationen
- Patienten mit Erkrankungen aus dem Fachbereich Neurologie (z.B. traumatischer Ab-/Ausriss eines Nervenplexus, Morbus Parkinson, Infantile Zerebralparese, Schlaganfall, Polyneuropathie, Multiple Sklerose, Komplette/inkomplette Para– und Tetraplegie, Ataxie und Athetosen)
- Patienten mit Erkrankungen aus dem Fachbereich Orthopädie (z.B. Haltungs– und Bewegungsinsuffizienzen, Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises (u.a. Morbus Bechterew), degenerative Erkrankungen der Wirbelsäule und der Extremitäten, Z.n. TEP-Versorgung (bei Hüft-TEP anfangs keine Rotationskomponente, da Gefahr der Luxation), Sudeck-Syndrom, angeborene Skelett-, Muskel– und Sehnenerkrankungen.
- Patienten mit Erkrankungen aus dem Fachbereich Chirurgie (z.B. Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma, Z.n. Amputation, postoperative Behandlung des Bewegungsapparats, konservative Behandlung nach Sportunfällen, Behandlung einer Muskelatrophie nach längerer Ruhigstellung, Kontrakturen und psychosomatische Beschwerden).