Was ist Method Acting?

Method Acting (deutsch oft „Methodenspiel“ genannt) ist eine Schauspieltechnik, bei der die Darstellerin oder der Darsteller versucht, so tief wie möglich in die Rolle einzutauchen, indem sie oder er eigene Emotionen, Erinnerungen und Erfahrungen nutzt, um echte, glaubwürdige Gefühle auf der Bühne oder vor der Kamera zu erzeugen.

Hier sind die zentralen Merkmale des Method Acting:

  1. Emotionale Erinnerung (Emotional Memory):
    Schauspieler*innen rufen eigene Erlebnisse hervor, um ähnliche Emotionen wie die Figur zu empfinden – z. B. Trauer, Angst oder Freude.
  2. Identifikation mit der Figur:
    Der Schauspieler versucht, wirklich wie die Figur zu denken, zu fühlen und zu handeln, statt sie nur „zu spielen“.
  3. Körperliche und psychologische Vorbereitung:
    Viele Method-Actor leben zeitweise im Alltag wie ihre Figur, um Authentizität zu erreichen – etwa mit der gleichen Kleidung, Ernährung oder Gewohnheiten.
  4. Improvisation und Spontaneität:
    Szenen werden oft nicht mechanisch auswendig gelernt, sondern aus dem Moment heraus gespielt, um natürliche Reaktionen zu fördern.

Ursprung

Die Methode geht auf Konstantin Stanislawski (Russland, frühes 20. Jh.) zurück. In den USA wurde sie später von Lee Strasberg, Stella Adler und Sanford Meisner weiterentwickelt. Besonders die Actors Studio-Schule in New York machte sie berühmt.

Bekannte Method-Actors

  • Marlon Brando
  • Robert De Niro
  • Daniel Day-Lewis
  • Christian Bale
  • Joaquin Phoenix
  • Leonardo DiCaprio

1. Tiefgehende Recherche

Bevor sie überhaupt proben, studieren sie alles über die Figur:

Hintergrund: Herkunft, Erziehung, Beruf, Familie, soziale Stellung

Zeit und Ort: Wie war die Welt, in der die Figur lebt?

Psychologie: Was motiviert die Figur? Welche Ängste, Sehnsüchte, Traumata hat sie?

Beispiel: Daniel Day-Lewis las historische Dokumente und lebte wochenlang wie Abraham Lincoln, um seine Denkweise und Sprache zu verstehen.

2. Emotionale Vorbereitung

Method Actors nutzen eigene emotionale Erinnerungen, um echte Gefühle zu erzeugen:

  • Sie erinnern sich an Situationen aus ihrem eigenen Leben, die ähnliche Emotionen auslösten.
  • Diese Gefühle werden dann „reaktiviert“, wenn sie im Film gebraucht werden.

Beispiel: Eine Schauspielerin, die Trauer spielen muss, denkt an einen realen Verlust, um dieselbe emotionale Tiefe zu erreichen.

3. Verkörperung im Alltag

Viele Method-Actors leben wie ihre Figur, manchmal über Wochen oder Monate:

  • Kleidung, Sprache, Körperhaltung und Gewohnheiten der Figur werden übernommen.
  • Manche bleiben auch außerhalb des Sets in der Rolle, um das Gefühl nicht zu verlieren.

Beispiel:

  • Heath Ledger isolierte sich und schrieb ein „Joker-Tagebuch“, um in dessen Psyche einzutauchen.
  • Christian Bale hungerte für The Machinist auf unter 55 kg ab, um körperlich wie seine Figur zu wirken.
  • Robert De Niro arbeitete als echter Taxifahrer, bevor er Taxi Driver drehte.

4. Stimm- und Körperarbeit

Sie trainieren:

  • Stimmlage und Akzent, um authentisch zu klingen.
  • Bewegung und Körperhaltung, um die körperliche Wahrheit der Figur zu spüren.
  • Atemübungen und Entspannungstechniken, um Emotionen kontrollieren zu können.

Beispiel: Meryl Streep lernte für viele Rollen Akzente und Gesten bis ins Detail – etwa Polnisch für Sophie’s Choice.

5. Improvisation

Statt alles Wort für Wort zu lernen, üben viele Method-Actors, spontan zu reagieren – so wie echte Menschen im Moment reagieren würden. Das hilft, Emotionen frisch und ehrlich zu halten.

6. Psychologische Nachsorge

Weil die Methode sehr intensiv ist, müssen viele Schauspieler danach bewusst aus der Rolle aussteigen – z. B. durch Meditation, Gespräche oder Pausen – um sich selbst nicht zu verlieren.

Method Acting – Trainingsbeispiel (ca. 45–60 Minuten)

1. Entspannung & Konzentration (10 Minuten)

Ziel: Körper und Geist ruhig bekommen, um offen für Emotionen zu sein.

Übung:

  1. Setz dich bequem hin oder leg dich auf den Boden.
  2. Schließe die Augen, atme tief ein und aus.
  3. Spüre nacheinander jeden Körperteil — von den Zehen bis zum Kopf.
  4. Stell dir vor, wie du alles „Alltägliche“ loslässt (Sorgen, Gedanken, Erwartungen).

Tipp: Viele Method-Actors (nach Lee Strasberg) beginnen jede Probe mit Entspannungsübungen, um vollständig im Moment zu sein.

2. Sinneswahrnehmung & Imagination (10 Minuten)

Ziel: Die Sinne aktivieren – so wird das Spiel realistischer.

Übung:

  1. Schließe die Augen.
  2. Stell dir eine einfache Situation vor, z. B. du trinkst Kaffee in einem Lieblingscafé.
  3. Erlebe sie mit allen Sinnen:
    • Wie riecht der Kaffee?
    • Wie warm ist die Tasse?
    • Welche Geräusche hörst du?
    • Wie fühlt sich der Stuhl an?
  4. Reagiere körperlich auf deine Vorstellung (nimm einen imaginären Schluck, lächle usw.).

Ziel: Du „spielst“ nicht, du erlebst – das ist der Kern der Methode.

3. Emotionale Erinnerung (10–15 Minuten)

Ziel: Eine echte Emotion abrufen und bewusst steuern.

Übung:

  1. Wähle ein echtes Erlebnis aus deinem Leben, das starke Gefühle ausgelöst hat (Trauer, Freude, Wut, Angst).
  2. Schließe die Augen und geh langsam durch die Erinnerung: Ort, Geräusche, Gerüche, Menschen.
  3. Lass die Emotion kommen – beobachte sie, ohne sie zu erzwingen.
  4. Versuch, die Emotion dann in eine neutrale Szene zu bringen, z. B. du machst Frühstück, während du diese Emotion spürst.

Wichtig: Es geht nicht um Leiden, sondern um emotionales Bewusstsein. Du lernst, Gefühle „anzuschalten“, ohne sie dich kontrollieren zu lassen.

4. Szenenarbeit mit Subtext (15–20 Minuten)

Ziel: Verbinde die Emotion mit Handlung und Text.

Übung:

  1. Nimm eine kurze Szene (z. B. ein Streit, eine Liebeserklärung, ein Abschied).
  2. Lies sie nicht einfach – fühle sie.
  3. Frag dich:
    • Was will meine Figur wirklich (das „Wollen“)?
    • Was hindert sie daran (der „Konflikt“)?
    • Welche Emotion treibt sie an?
  4. Spiel die Szene, während du das emotionale Zentrum (aus Übung 3) in dir aktiv hältst.

Tipp: Spiel sie mehrmals – einmal mit Wut, einmal mit Trauer, einmal mit Ironie. So lernst du, Emotionen bewusst zu modulieren.

5. „Abkühlen“ & Loslassen (5 Minuten)

Ziel: Wieder du selbst werden.

Übung:

  • Atme tief ein, streck dich, geh ein paar Schritte.
  • Sag dir innerlich: „Ich lasse die Figur los.“
  • Mach etwas Alltägliches – Musik hören, Wasser trinken, spazieren gehen.

Warum: Method Acting kann emotional fordernd sein – das bewusste Aussteigen schützt dein psychisches Gleichgewicht.

Ergebnis

Wenn du dieses Training regelmäßig machst, lernst du:

  • deine Emotionen bewusst zu steuern,
  • echte innere Impulse auf der Bühne oder vor der Kamera zu nutzen,
  • und Momente wahrhaftig zu erleben statt nur zu imitieren.

Werner Eberwein