Was ist Emergenz?

Emergenz“ ist ein Begriff aus der Philosophie, den Natur- und Sozialwissenschaften und beschreibt das Phänomen, dass in einem System Eigenschaften oder Verhaltensweisen auftreten, die sich nicht unmittelbar aus den einzelnen Bestandteilen ableiten lassen, sondern erst durch ihr Zusammenspiel entstehen.

Einfach gesagt: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.

Beispiele:

  • Naturwissenschaftlich: Aus vielen Wassermolekülen entsteht die Eigenschaft „Nasssein“. Ein einzelnes H₂O-Molekül ist nicht „nass“.
  • Biologisch: Neuronen sind elektrisch erregbare Zellen. Aber erst in komplexer Vernetzung entsteht Bewusstsein – eine emergente Eigenschaft.
  • Sozial: Ein einzelner Mensch hat bestimmte Fähigkeiten. In einer Gruppe können durch Interaktion kollektive Intelligenz, Kultur oder Sprache entstehen.
  • Physikalisch: In einer Ameisenkolonie ergibt sich ein geordnetes Bauverhalten, obwohl jede Ameise nur einfachen Regeln folgt.

Typische Merkmale von Emergenz:

  1. Neuartigkeit – Die neue Eigenschaft gab es auf der unteren Ebene nicht.
  2. Unvorhersagbarkeit – Man kann sie oft nicht vollständig aus den Einzelteilen berechnen.
  3. Selbstorganisation – Sie entsteht aus der Wechselwirkung ohne zentralen Plan.
  4. Systemabhängigkeit – Wenn man das System zerlegt, verschwindet die Eigenschaft.

Man unterscheidet oft:

  • Schwache Emergenz: Das Neue ist theoretisch erklärbar, aber praktisch schwer vorherzusagen (z. B. Wetter).
  • Starke Emergenz: Das Neue lässt sich prinzipiell nicht aus den Teilen ableiten (z. B. Bewusstsein – hier gibt es philosophische Debatten).

Emergenz ist also ein Schlüsselbegriff, um zu verstehen, wie komplexe Systeme auf höheren Ebenen etwas hervorbringen, das man nicht in den Einzelteilen findet.

Werner Eberwein