Was ist die Simonton-Methode?
Carl Simonton und die Psycho-Onkologie
Im März 1998 hatte ich im Rahmen eines Seminars die Gelegenheit, Carl Simonton M.D. kennenzulernen. Simonton gilt seit seinem 1981 erschienenen Buch „Wieder gesund werden“ international als Begründer und der Repräsentant der psychologischen Krebstherapie mit Hypnose- und Selbsthypnosetechniken.
Um es gleich vorwegzunehmen: die Bedeutung Carl Simontons liegt nicht darin, daß er „die“ Technik entwickelt hätte, um Krebs psychotherapeutisch zu heilen. Auch wenn viele Teilnehmer sicher insgeheim mit dieser Hoffnung zu dem Seminar gekommen waren, Simonton hat den Stein der Weisen der psychotherapeutischen Krebsheilung nicht gefunden. Er benutzt noch nicht einmal ganz besondere, speziell ausgetüftelte Methoden. Er arbeitet vielmehr mit weit verbreiteten und in der Psychotherapie gut bekannten Techniken. Er war lediglich einer der ersten, der sich getraut hat, diese Methoden auf die Arbeit mit Krebskranken anzuwenden.
Meines Erachtens besteht Simontons Bedeutung hauptsächlich darin, daß er – als hochqualifizierter klassisch-medizinischer Krebsspezialist – bezeugt, daß „es geht“, daß Psychotherapie bei Krebskranken hilft, nicht nur um die emotionalen Folgen der Erkrankung zu mildern, sondern auch zur Behandlung der Erkrankung selbst. Diese Grundorientierung kann sich inzwischen auf eine Reihe von empirischen Untersuchungen stützen.
Das wichtigste aber, was Simonton lehrt, ist eine Philosophie. Sie besagt, daß die Selbstheilungskräfte des Organismus grundsätzlich in der Lage sind, Krebs zu heilen, und wie wichtig psychische Faktoren (Gedanken, Vorstellungen, Gefühle) bei der Behandlung einer Krebserkrankung sind. Simonton übermittelt das Vertrauen und Hoffnung, daß der Glaube heilen kann. Wie ein Pfeiler im Strom bleibt er trotz aller Anfeindungen seitens der klassischen Medizin seit 20 Jahren bei dieser Überzeugung. Er ist sowohl für Krebskranke als auch für Therapeuten, die an der beschränkten Denkweise der klassischen Medizin zu verzweifeln drohen, ein Hoffnungsträger.
Simonton arbeitete viele Jahre lang als Radio-Onkologe und behandelte Krebskranke mit Strahlentherapie. Im Rahmen einer Forschungsarbeit zum Problem der Hoffnungslosigkeit bei Krebskranken wurde ihm die Wichtigkeit der seelischen Prozesse für den Krankheitsverlauf bewußt. Er beschäftigte sich mit den Ergebnissen der Motivationspsychologie und begann, mit einer Methode zu experimentieren, in der sich seine Patienten zusätzlich zu ihrer medizinischen Behandlung das gewünschte Ergebnis (Schmerzfreiheit, Besserung oder Heilung) mehrmals täglich intensiv vorstellten. Der erste Patient, den er mit dieser Methode behandelte, hatte in der Bestrahlungstherapie eine ungünstige Prognose. Zu Simontons Überraschung sei dieser Patient vollständig gesund geworden. Was Simonton am meisten überraschte, war, daß dieser Patient keine der sonst üblichen unerwünschten Nebenwirkungen der Strahlentherapie wie Schwächegefühle und Übelkeit zeigte.
Simonton erkannte, was bereits Hippokrates gewußt hatte, nämlich, daß der menschliche Geist und die Gefühle den Heilungsprozeß sowie die Wirkungen und Nebenwirkungen einer medizinischen Behandlung entscheidend beeinflussen. Er begann, nach empirischen und experimentellen Arbeiten über die psychischen Aspekte der Krebserkrankung und Krebsheilung zu suchen.
Bereits in den fünfziger Jahren wurde von einzelnen Fällen erfolgreicher hypnosuggestiver Behandlungen bei Krebs berichtet. Bei einem Patienten mit einem inoperablen, fortgeschrittenen Lymphdrüsenkrebs, der klassisch-medizinisch nicht mehr sinnvoll behandelt werden konnte, seien beispielsweise nach Injektionen von Kochsalzlösung (die suggestiv als ein neues, hochwirksame Krebsmedikament namens „Krebiozin“ ausgegeben wurde), die Tumore dauerhaft verschwunden (Suggestion via Placebo).
Simonton zitierte den kanadischen Arzt Dr. William Ostler, der in den USA als einer der Väter der Ganzheitsmedizin gilt:
„Sag mir nicht, welche Krankheit der Patient hat, sag mir, welcher Patient die Krankheit hat.“
Ostler beschäftigte sich um die Jahrhundertwende mit dem Einfluß von Imagination auf Heilungsprozesse. Er ging davon aus, daß innere Bilder und Überzeugungen die „aktive Ebene des Glaubens“ darstellten, und sich auf Heilungsprozesse positiv auswirkten.
Die meisten klassischen Mediziner gehen davon aus, daß spontane Rückbildungen von Krebstumoren außerordentlich selten seien (die Rede ist von etwa einem Fall von 10.000). Simonton betont, daß aus den bisherigen Untersuchungen zu diesem Thema hervorgehe, daß Spontanremissionen wesentlich häufiger seien. Er selbst habe im Laufe seiner Praxis eine ganze Reihe von solchen „wunderbaren Heilungen“ erlebt, „die Wert wären, ihnen einen Schrein zu errichten oder Pilgerreisen zu unternehmen“. Der wichtigste psychologische Faktor bei der Krebsheilung sei der Glaube, also das tiefe Vertrauen in die Selbstheilungskraft der Seele und des Körpers.
Erstaunlicherweise hätten vielfältige Untersuchungen über psychologische Faktoren in der Krebstherapie die medizinische Schulmeinung und die ärztliche Behandlungsindustrie nicht signifikant beeinflußt. Studien, die die „Macht des Geistes“ belegten, träfen auf massiven Widerstand in den Universitäten und Kliniken. Aufgrund eingefahrener Weltanschauungen und vor allem von wirtschaftlichen Interessen seitens der Medikamentenhersteller und der Apparate-Industrie sei es zu einem massiven politischen Intrigenspiel gegen die wenigen Ärzte gekommen, die die Möglichkeiten psychologischer Krebsheilung erforschten, so auch gegen ihn selbst.
In der klassischen Medizin glaube man nicht an die Selbstheilungskraft des Körpers, daher würden die Behandlungsmethoden immer härter. Simonton bezeichnet die Bestrahlungstherapie als „Einsatz der Atombombe gegen den Krebs“. Die erste Substanz, die zur Chemotherapie bei Krebs eingesetzt wurde (und die heute manchmal noch eingesetzt wird), war das von den Nazis als chemischer Kampfstoff entwickelte Senfgas. Man glaubt, Krebs sei eine schwere, aggressive Krankheit, daher müßten dagegen immer brutalere Mittel eingesetzt werden. Dennoch haben sich laut Simonton die Erfolgsaussichten bei der Krebsbehandlung (mit Ausnahme von einigen Krebsformen wie Nieren- und Hodenkrebs) seit den fünfziger Jahren kaum verbessert.
Seit Hippokrates gebe es gegen jede wesentliche Änderung der medizinischen Lehrmeinung massive Widerstände seitens der Vertreter der herkömmlichen Methodik, die sich in ihrer gewohnten Weltanschauung bedroht fühlten. Damit Untersuchungen über ein neues Behandlungsprinzip von der medizinischen Wissenschaft akzeptiert werden, müßten sie zunächst emotional akzeptabel sein. Hier liege das Problem
Die Auswirkungen psychischer Faktoren auf immunologische Prozesse und die Fähigkeit des Körpers, Krebstumore zum Verschwinden zu bringen, werden von einem medizinischen Forschungszweig untersucht, der als „Psycho-Neuro-Immunologie“ bezeichnet wird. Eine seiner Wurzeln ist die Arbeit des russischen Physiologen Matalnikov, der in den 30er Jahren am Pasteur-Institut in Paris arbeitete. Er wies nach, daß das Immunsystem von Labormäusen konditionierbar ist. Ähnlich wie es Pavlov gelungen war, den Organismus von Hunden dazu zu bringen, beim Anschlagen einer Glocke Speichel und Magensaft zu produzieren, konnte Matalnikov in seinen Experimenten die Konzentration der weißen Blutkörperchen seiner Labormäusen durch akustische Signalreize verändern. Daraus muß gefolgert werden, daß die Tätigkeit des Immunsystems auch von psychischen Faktoren abhängig ist.
Aus den bekannt gewordenen Untersuchungen von Seyle über die Auswirkungen von Streß geht hervor, daß alle Faktoren, die den Organismus unter ungesunden Streß stellen, der Entwicklung von Krankheiten Vorschub leisten, während „gesunde“ Emotionen wie Freude, Glück und Zufriedenheit, die Entstehung von Gesundheit fördern.
Simontons Mentor, der amerikanische Psychoanalytiker Le Shan war gut mit Milton Ericksons hypnotherapeutischen Behandlungsprinzipien vertraut und führte sie in die Krebsbehandlung ein.
Empirische Daten
Daß Psychotherapie bei Krebserkrankungen hilft, konnte Simonton 1981 durch eine empirische Studie bestätigen. Er untersuchte 71 Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs, die zusätzlich zu ihrer medizinischen Behandlung psychotherapeutische Sitzungen erhielt. Die mittlere Überlebenszeit der Frauen mit Psychotherapie hatte 38,5 Monate betragen – die der Frauen ohne Psychotherapie nur 18,0 Monate.
Diese Studie wurde 1989 durch Spiegel von der Stanford University in Kalifornien wiederholt in der Absicht, sie zu wiederlegen. Tatsächlich kam Spiegel zu den selben Resultaten. Spiegels Untersuchung erfüllte die höchsten Ansprüche an wissenschaftlich abgesicherte, kontrollierte Studien. Es wurden 50 von Psychotherapeuten begleitete Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs untersucht. Ihre mittlere Überlebenszeit nach der Diagnose habe mit Psychotherapie 36,6 Monate betragen, die von den Patienten ohne Psychotherapie 18,9 Monate.
Hierbei ist besonders bemerkenswert, daß es sich bei der in der Untersuchung angewandten Psychotherapie keineswegs um eine ausgefeilte, speziell Therapieform speziell für Krebskranke gehandelt hatte, sondern lediglich um einfache psychotherapeutische Beratungsgespräche (Simonton 1997, S. 19ff).
Auch Derogatis (1979) und Greer (1985) untersuchten die Überlebenszeiten von Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß diejenigen Frauen die höchten Überlebenserwartungen hatten, die über die besten psychischen Bewältigungsmechanismen, sowie über „einen gewissen Kampfgeist“ verfügten. Die niedrigsten Überlebenszeiten hatten Frauen, die sich hoffnungslos fühlten.
1985 veröffentlichte Grossarth-Maticek von der Universität Heidelberg eine (umstrittene) Untersuchung von 1300 Menschen über 10 Jahre. Er sei ohne medizinische Untersuchung nur aufgrund der Untersuchung seelischer Eigenschaften in der Lage gewesen, statistisch signifikant vorherzusagen, wer im Laufe von sechs Jahren wahrscheinlich an Krebs sterben würde. Bei denjenigen Personen, die in der Zwischenzeit psychotherapeutisch behandelt worden waren, sei die Krebssterblichkeit signifikant abgesunken. Das würde bedeuten, daß Psychotherapie in der Lage ist, zur Verhütung von Krebs beizutragen (vgl. Interview mit Grossarth-Maticek in „Psychologie Heute“ 5/1998).
1993 veröffentlichte Fawsy im Archiv of General Psychiatry eine Studie über die Auswirkungen von psychotherapeutischer Behandlung auf Heilungsaussichten und Überlebenszeiten von 68 Patienten mit bösartigem Hautkrebs. Es handelte sich um eine gut abgesicherte Studie mit Kontrollgruppe und zufälliger Patientenauswahl. Die Studie ergab, daß psychotherapeutische Behandlungen, die die Patienten in der Bewältigung von emotionalem Streß unterstützen, die Überlebenszeit und die Lebensqualität der Patienten statistisch signifikant vergrößern und die Geschwindigkeit des Tumorwachstums verringern. Erstaunlich war dabei unter anderem das Ergebnis, daß Psychotherapie allein effektiver war als Chemotherapie oder Strahlentherapie allein. In Kombination mit medizinischer Therapie war sie geeignet, die Heilwirkungen dieser Methoden zu verstärken und die unerwünschten Nebenwirkungen zu vermindern. Eine Kombination von klassischer und psychotherapeutischer Krebsbehandlung sei einer nur medizinischen oder nur psychotherapeutischen Behandlung deutlich überlegen.
„Die beste Krebstherapie ist eine Kombination der modernsten medizinischen Methoden (in einer menschlichen und unterstützenden Weise angeboten) mit der bestmöglichen psychologischen Betreuung. Das Ergebnis wird besser ausfallen als für die Chemotherapie oder andere ärztliche Behandlungen allein oder als für psychologische Betreuung allein. … Ich ermutige oder entmutige keine Patienten, irgendeine spezielle Behandlung zu versuchen. Mein Interesse ist es, ihnen dabei zu helfen, einen Weg zu finden, auf ihre eigenen inneren Vorgänge zu hören.“
(Simonton 1997, S. 20 / S. 61)
Die Beeinträchtigung des Immunsystems durch Streß sowie die Förderung des Immunsystems durch die Verringerung von Streß ist durch so viele Untersuchungen belegt, daß sie als gesichert gelten kann. Literaturangaben dazu sind in den Veröffentlichungen von Simonton nachzulesen.
Die Simonton-Methode
Simonton ist Pragmatiker. Er betont, er gehöre keiner psychotherapeutischen „Schule“ an und habe im Laufe seines Lebens mit vielen therapeutischen Methoden gearbeitet, auch zum Beispiel mit der Psychoanalyse und mit Janov’s Primärtherapie.
In seinen derzeitigen Behandlungsprogrammen untersucht Simonton mit seinen Patienten deren bisher erfolgreiche Bewältigungsmöglichkeiten (Ressourcen). Der Patient wird ermutigt, herauszufinden, was ihm bisher in seinem Leben geholfen hat, emotionalen Schmerz und Hoffnungslosigkeit zu bewältigen, um diese Fähigkeiten dann auf seine Krebserkrankung anzuwenden.
Die Behandlung gegen den Krebs sollte so sanft wie möglich sein und vom Patienten als hilfreich erlebt werden. Wenn der Patient glaubt, daß die Behandlung ihm schade, wird er gegen die Behandlung kämpfen. Der Fokus einer psychologischen Krebstherapie müsse auf der Verbesserung der Lebensqualität des Patienten liegen. Die Therapie müsse der Verletzbarkeit der Patienten Rechnung tragen. Sie müsse klar nachvollziehbar sein und mit klaren Grenzen arbeiten. Sie müsse die Perspektive des Lebens ebenso wie die Möglichkeit von Sterben und Verlust einbeziehen. Sich mit dem Tod zu beschäftigen, damit seinen Frieden zu finden, und sich nicht mit aller Gewalt an das Überleben zu klammern, sei entscheidend für den Prozeß der Gesundwerdung.
Philosophie
Eine zentrale Aufgabe der psychotherapeutischen Arbeit mit Krebskranken sei die Bestärkung ihrer Hoffnung in die Möglichkeit der Heilung. Simonton versteht darunter „die Überzeugung, daß wünschenswerte Dinge erreichbar sind, egal wie groß oder klein die Wahrscheinlichkeit dafür ist“. Eine gesunde Form der Hoffnung für Krebskranke sei nicht die Überzeugung, daß er auf jeden Fall gesund werde, sondern die Überzeugung, daß er gesund werden könne.
Die klassische Medizin vermittele einigen Patienten direkt und indirekt die Einstellung: „Es gibt keine Hoffnung, machen Sie sich damit vertraut, daß Sie an Krebs sterben werden, machen Sie also das Beste aus der verbleibenden Zeit.“ Diese Einstellung sei ungesund und fördere das Krebswachstum. Hilfreich sei für den Krebspatienten alles, was seinen Glauben in seine Selbstheilungskräfte, sein Vertrauen in den Sinn seines Daseins und seine Geduld mit sich selbst fördere.
Durch imaginative, kognitive und hypnosuggestive Arbeit seien selbst grundlegende weltanschauliche und spirituelle Einstellungen des Patienten veränderbar. Diese Einstellungen betreffen die Natur und das Wesen des Universums, unser Wesen als Menschen und grundlegende Haltungen zu Leben und Tod, Sinn und Schicksal.
Simontons Grundeinstellung ist ein profunder spiritueller Pragmatismus. Er geht davon aus, daß wir glauben können, was wir glauben wollen und was hilfreich ist.
Hypnosuggestive Imaginationsarbeit
Simonton arbeitet sehr stark mit den von Milton Erickson entwickelten suggestiven Sprachmustern und indirekten Hypnoseinduktionen, teils explizit z.B. in Form von „Einstimmungs-Meditationen“, teils beiläufig im Gespräch. Simonton benutzt konsequent die ericksonsche Sprache. Er spricht beispielsweise praktisch nie negativ von „Krankheit“, „Leiden“, „Angst“, „Schmerz“, sondern stets positiv von „ungesunden Einstellungen“, „unerfreulichen Erfahrungen“, „nicht wünschenswerten Einstellungen“, „fehlender Hoffnung“, „gesundem Sterben“ usw..
Das Grundprinzip der Imaginationsarbeit nach Simonton besteht darin, daß sich der Patient das gewünschte Ergebnis (z.B. Gesundheit) oder eine Bewegung in Richtung hin zu dem gewünschten Ergebnis mehrmals täglich auf eine Weise vorstellt, die für ihn persönlich paßt und für ihn bedeutungsvoll und eindrücklich ist.
Die Verwendung der Vorstellungskraft für Heilungsprozesse ist seit der Urzeit bekannt und in allen Völkern verbreitet. Gesunde Vorstellungen erzeugen gesunde Gefühle wie Frieden, Zufriedenheit und Liebe. Ungesunde Vorstellungen erzeugen Gefühle wie Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Angst. Wenn es dem Krebskranken gelinge, mit Hilfe von Imagination, Meditation oder Autosuggestion sich den gesunden Zustand oder der Heilungsprozeß lebendig und intensiv vorzustellen, stellten sich gesunde Gefühle ein, die den körperlichen Heilungsprozeß förderten.
Es gebe, so Simonton, Patienten, die in der Chemotherapie keine unerwünschten Nebenwirkungen hätten oder diese sogar als psychisch stimulierend erlebten.
Wenn dem Patienten die Arbeit mit Imaginationstechniken schwer fällt, so sei es erforderlich, die zugrundeliegenden ungesunden Einstellungen kognitiv umzustrukturieren, um das Vertrauen des Patienten in die Selbstheilungskraft seines Körpers zu fördern.
Simonton arbeitet gern mit hypnotischen Trancen („Meditationen“). Er leitet sie auf eine sehr einfache Weise vor allem mit gewährenden suggestiven Formulierungen ein, wie z.B.:
„Machen Sie es sich so bequem wie möglich (Pause), entspannen Sie sich (Pause), gehen Sie innerlich an einen Ort, an dem Sie sich sicher fühlen (lange Pause), lassen Sie sich von Ihrem Atem immer tiefer in einen Zustand der Entspannung hineinführen (Pause) …“
In einem vertieften Entspannungs- und Versenkungszustand (Trance) entwickelt Simonton ressourceorientierte metaphorische Szenerien, wie z.B. „die Reise zu dem Ort, wo die Antwort auf alle Fragen ist“, um die innere Weisheit des Unbewußten anzusprechen und einen Dialog mit ihr zu ermöglichen.
Er verwendet hypnosuggestive Szenerien auch zur Veränderung von Einstellungen, etwa um den Glauben an die Selbstheilungskräfte des Körpers zu fördern oder um gesunde Imaginationen und Vorstellungsbilder zu vermitteln, etwa Vorstellungen vom Heilungsprozeß oder von einem gewünschten Zustand.
Der Patient stellt sich auf eine für ihn passende Weise vor:
- der Körper sei stark und weise,
- die weißen Blutkörperchen seien stark und zahlreich,
- der Krebs sei schwach und leicht aus dem Körper zu entfernen,
- den Krebs als Boten, der eine wichtige Information beinhalte,
- die medizinische Behandlung sei sinnvoll und hilfreich,
- die gesunden Körpergewebe seien stark und stabil, sie könnten den Nebenwirkungen der Chemotherapie leicht widerstehen,
- alltagspraktische Veränderungsschritte (mit Termin),
- der Schmerz ändere seine Intensität, seine Bedeutung oder Beschaffenheit,
- den Zustand vollkommener Gesundheit.
Wenn der Patient „im Kopf“ nicht weiß, was er tun soll (z.B. Chemotherapie machen oder nicht, welche Form der Imagination), kann der Therapeut ihm auf hypnosuggestive Weise helfen zu spüren, was er in seinem Herzen fühlt, was er tun möchte. Wenn er sich auch in seinem Herzen unklar oder zwiespältig ist, kann der Therapeut ihm helfen, mit der inneren Weisheit seines Unbewußten in Dialog zu treten (Beispiel-Trancen zum Ablesen in Simonton 1997).
Simonton ist mit der Vorgabe konkreter Inhalte in Trance recht zurückhaltend, weil er es als effektiver betrachtet, wenn sich jeder Patient seine eigene Form der Imagination erarbeitet. Das Grundprinzip sei, daß der Patient sich selbst, seine Selbstheilungskräfte und die Behandlungsmethoden als stark und wirkungsvoll, den Krebs dagegen als schwach und leicht überwindbar vorstellt.
Formen und Inhalte der Trancen und Imaginationsübungen sollten den individuellen Eigenarten, Gewohnheiten und Fähigkeiten des Patienten entsprechen. Aggressive Bilder, wie sie Simonton früher (1981) bevorzugte (z.B. Haifische, die Krebszellen fressen) seien manchmal angemessen, aber nicht in jedem Fall sinnvoll.
Der Therapeut unterstützt den Patienten, eigene Imaginationsformen zu entwickeln, z.B. indem er ihn fragt, was ihm einfällt, wenn er daran denkt, gesund zu werden. Die angewandten Bilder und Symbole müssen vereinbar sein mit dem Leben und den grundlegenden Haltungen und Überzeugungen des Patienten. Sie sollten auf dem aufbauen, was der Patient gut kann (Hobbys, Beruf, Erfahrungen, Fähigkeiten, bereits erlernte meditative Übungen usw.):
- Ein Buchhalter kann sich z.B. vorstellen, die Bilanz seines Immunsystems zu überarbeiten.
- Wer gerne fischt, kann sich vorstellen, den „Fisch der Gesundheit“ aus einem ruhigen See zu angeln.
- Wer das Meer liebt, kann sich vorstellen, daß der Ozean den Krebs wegwäscht.
- Ein religiös orientierter Mensch kann sich ein „heilendes Licht von Gott“ vorstellen.
- Ein Maler kann sich vorstellen, wie schwarze Farben sich in heilendes Orange verwandeln.
- Ein musikalischer Mensch kann sich heilende Klänge oder Choräle vorstellen.
- Ein eher verbal orientierter Patient kann mit verbalen Autosuggestionen arbeiten.
- Wer gern berührt wird, kann heilende Vorstellungen mit angenehmer Massage verbinden.
- Wer gern tanzt, kann Heilungstänze zur Hilfe nehmen.
- Wer gern musiziert, kann auf heilende, meditative Weise singen oder trommeln.
Auch was die Frequenz der Imaginationsübungen betrifft, ist die zentrale Frage, wie oft der Patient die Übung ausführen möchte und welche Auswirkungen es hat, wenn er die Übung beispielsweise nur einmal alle 14 Tage, oder, im anderen Extrem, 20 Mal pro Tag macht. Der Therapeut kann dem Patienten helfen, herauszuarbeiten, wie er normalerweise denkt, imaginiert und lebt (z.B. eher kontemplativ, hektisch, ekstatisch, kopfgesteuert, emotional). Er kann dem Patienten Möglichkeiten aufzeigen und ihm dann helfen, seine eigenen Formen der autogenen Heilungsimagination zu entwickeln. Das Vorgeben einer „richtigen“ Form der Imagination sei eine Falle, die den Therapeuten mehr Verantwortung und Anstrengung auflädt, als gesund für ihn und für den Patienten ist. Am besten sei ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen der Vermittlung von Techniken, Ideen und Anregungen an den Patienten und der Unterstützung des Patienten, seine eigenen Imaginationsweisen zu finden.
Veränderung von Einstellungen
Wie die Vielzahl der gut dokumentierten sogenannten Spontanremissionen beweisen, hat der Körper grundsätzlich die Fähigkeit, Krebszellen zu erkennen und zu vernichten. Man gehe heute sogar davon aus, daß im Körper ständig „entartete“ Krebszellen entstehen, aufgespürt und vernichtet werden („Kontrolltheorie„).
Im Zentrum der Simonton-Methode der psychologischen Krebstherapie steht die Konzentration auf das, was beim Patienten stimmt, statt darauf, was bei dem Patienten nicht in Ordnung ist. Er fokussiert die Behandlung vor allem darauf, was dem Patienten Freude und ein Gefühl von Authentizität gibt:
„Warum bin ich hier?“
“Was gibt meinem Leben Sinn?“
… und versucht, den Patienten anzuregen, mehr davon in sein Leben zu integrieren. Erst dann stellt sich die Frage, was diesen Versuchen zur Zeit störend im Weg steht.
Bei den störenden Faktoren handelt es sich in erster Linie um emotionalen Schmerz, sowie um Gefühle der Hoffnungs- und Hilflosigkeit, die, so Simonton auf „ungesunde Glaubenshaltungen und Überzeugungen“ zurückgehen.
In den letzten zehn Jahren habe er die von ihm in seinem Buch „Wieder gesund werden“ beschriebene Imaginationstherapie modifiziert. Gemeinsam mit dem Verhaltenstherapeuten Maultsby von der Howard-University habe er eine kognitive Methode entwickelt und in seine Arbeit integriert. Bei dieser Technik geht es um die Herausarbeitung von ungesunden Einstellungen, Glaubenshaltungen und Überzeugungen („Beliefs“) und deren Transformation in gesundheitsfördernde Einstellungen.
Eine krankheitsfördernde Einstellung, wie z.B. der Satz: „Ich schaffe es nicht, ich werde sterben“, wird mit Hilfe der fünf „Maultsby-Fragen“ untersucht:
- Basiert diese Glaubenshaltung auf Tatsachen?
- Hilft mir diese Glaubenshaltung, mein Leben und meine Gesundheit zu schützen?
- Hilft mir diese Glaubenshaltung, meine kurzfristigen oder langfristigen Ziele zu erreichen?
- Hilft mir diese Glaubenshaltung, meine wichtigsten Konflikte (mit mir selbst oder mit anderen Menschen) zu lösen, zu bewältigen oder zu vermeiden?
- Hilft mir diese Glaubenshaltung, mich zu fühlen, wie ich mich fühlen möchte?
Bei einer „gesunden“ Glaubenshaltung müßten drei oder mehr dieser Fragen mit „ja“ beantwortet werden. Bei einer „ungesunden“ Glaubenshaltung würden nur zwei oder weniger dieser Fragen mit „ja“ beantwortet.
Den ungesunden Glaubenssätzen werden dann komplementäre, gesunde Glaubenssätze gegenübergestellt, die der Patient auf einen Zettel schreibt, den er immer bei sich trägt und täglich viele Male durchliest (Affirmationen). Zusätzlich lernt der Patient, mehrmals täglich in Selbsthypnose mit diesen gesunden Glaubenssätzen zu meditieren und sich in sie hinein zu versenken.
Maultsby’s Modell ist sehr einfach, leicht zu erlernen und dem Patienten leicht zu vermitteln. Es ermögliche sogar, grundlegende philosophische, weltanschauliche oder spirituelle Einstellungen direkt zu verändern, die nach Simontons Erfahrung von grundlegender Bedeutung für den Gesundwerdungsprozeß sind.
Die anzustrebende Haltung des Patienten könne man in folgende Worte fassen:
„Ich möchte leben, weil ich weiß, warum ich leben möchte, und ich bin bereit zu sterben. Wenn ich nicht bereit bin zu sterben, kümmere ich mich darum, was ich tun kann, um bereit zu sein, zu sterben. Ich möchte, daß es mir besser geht, aber ich akzeptiere, wenn es mir schlechter geht.“
Auf diese Weise könne es dem Patienten erleichtert werden, aus einem verzweifelten Ankämpfen gegen die Krankheit (das seine emotionale Belastung nur weiter verstärkt) herauszufinden.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt der psychologischen Krebstherapie sei der Umgang mit Wut- Bitterkeits- und Schuldgefühlen sowohl beim Patienten als auch bei den Angehörigen und den Therapeuten. Der Patient müsse ermutigt werden, die Zusammenhänge zwischen Gedanken und Überzeugungen, Gefühlen und seinem körperlichen Zustand zu verstehen und zu erkennen. Er müsse begreifen, was eine gesunde und was eine ungesunde Weltanschauung bzw. spirituelle Einstellung sei. Die grundlegende Einstellung zum Leben beeinflusse auf fundamentale Weise die Fähigkeit des Patienten zur Bewältigung von emotionalem Schmerz und damit seinen Heilungsprozeß.
Die psychoonkologische Therapie müsse erfreulich und angenehm gestaltet sein, damit die Patienten die zu ihr erforderliche Energie aufbringen könnten.
Zu der Frage, wie es erklärbar sei, daß es bei manchen Patienten zu Spontanremissionen komme und bei anderen nicht, führte Simonton aus, daß die wenigen Untersuchungen zu diesem Thema nahelegten, daß Patienten mit Spontanremissionen auf ihre Krebserkrankung weniger als andere Patienten mit Angst und Hoffnungslosigkeit reagierten, und daß sie ihre Krebsdiagnose zum Anlaß nahmen, ihr Leben zu überdenken und neu zu organisieren. Das „Wunder“, das einigen Krebspatienten zuteil werde, sei Produkt einer harten Arbeit an sich selbst.
Die grundlegenden Prinzipien der Gesundheit, so Simonton, treffen auf Gesunde ebenso wie auf Kranke zu. Gesundheit bestehe darin, sich in Einstellungen und Lebensweise „unserer wahren Natur, unserem Wesen annähern“. Dabei wird es dem Patienten freigestellt, auszuwählen, welche der therapeutischen Anregungen er aufnehmen will und welche nicht:
„Tun Sie nichts, wovon Sie glauben, daß es nicht gut für Sie sei. Im Zweifelsfall lassen Sie’s.“
Auf diese Weise wird die Selbstverantwortung des Patienten gefördert, aber auch gefordert.
Die Vorstellung, Krebs sei eine schwere, fast immer notwendig zum Tode führende Krankheit, sei ungesund, ebenso die Vorstellung, Krebszellen seien aggressiv. Krebszellen seien nicht aggressiv gegen andere Zellen, sie wachsen lediglich unkontrolliert und schneller als diese.
Der Therapeut muß an seinen eigenen Einstellungen dem Krebs und Heilungsprozesse gegenüber arbeiten, denn seine Überzeugungen beeinflussten unbewußt die Einstellungen der Patienten.
Wenn Glaubenshaltungen psychotherapeutisch verändert würden, fühle man sich oft vorübergehend seltsam unauthentisch. Diese Erscheinung wird als „kognitiv-emotionale Dissonanz“ bezeichnet: das Alte (Ungesunde) fühlt sich weiterhin richtig an, das Neue (Gesunde) fühlt sich zunächst noch falsch an. Nach Simonton komme es nach ungefähr drei bis sechs Wochen intensiven imaginativen selbsthypnotischen Übens zu einem kognitiven Adaptionsprozeß, und die neue Einstellung werde automatisiert.
In der Therapie sei es unumgänglich, mit diversen Widerständen gegen die Technik der kognitiven Umstrukturierung umzugehen. Besonders hilfreich hierbei sei es, in der Gruppe Erfahrungen von Menschen zu hören, die mit vergleichbaren Methoden Erfolge erzielt haben.
Auslösende Probleme und Krankheitsgewinn
Typischerweise ließen sich etwa drei bis achtzehn Monate vor Ausbruch der Krankheit schwere Stressoren ausmachen, die das emotionale Gleichgewicht des Patienten stark belastet haben, wie zum Beispiel Probleme in nahen Beziehungen, in der Familie, in der Arbeit oder die finanziellen Verhältnisse betreffend, ein Orts- oder Wohnungswechsel, eine andere schwere Krankheit, Verletzungen oder insbesondere das Verratenwerden durch eine Vertrauensperson. Durch psychotherapeutische Unterstützung könne der Patient lernen, diese Stressoren besser zu bewältigen.
In der analytischen Psychologie unterscheidet man zwischen einem primären und einem sekundären Krankheitsgewinn. Der primäre Krankheitsgewinn besteht darin, daß die Krankheit eine Funktion im Rahmen innerer Prozesse des Patienten erfüllt (z.B. um Schuldgefühle oder Autoaggressionen zu realisieren). Der sekundäre Krankheitsgewinn besteht in Reaktionen des Umfeldes des Patienten, die paradoxerweise die Krankheit fördern können (z.B. vermehrte Zuwendung, Aufmerksamkeit, Entlastung von Streß usw.).
Bei den sekundären Krankheitsgewinnen handelt es sich darum, daß der Patient durch die Krankheit besser Liebe ausdrücken und empfangen kann, besser in der Lage ist, ja oder nein zu sagen, neue Prioritäten im Leben zu setzen und Zeit für sich selbst zu haben. Simonton unterstützt seine Patienten darin, sekundäre Krankheitsgewinne zu realisieren, ohne daß dies die Krankheit voraussetzt.
Um dem Patienten zu helfen, sich über sein persönliches Muster der Krankheitsauslöser und -gewinne Klarheit zu verschaffen, fordert Simonton den Patienten auf, fünf große Veränderungen seines Lebens in den drei bis sechs Monaten vor Ausbruch der Krankheit zu benennen oder aufzuschreiben. Dann solle er sich verdeutlichen, mit welchen Gefühlen diese Veränderungen verbunden waren und schließlich fünf positive Veränderungen durch die Krankheit benennen.
Seine Patienten entwickeln einen „2-Jahre-Gesundheitsplan“, in dem z.B. für die Bereiche Ernährung, Spiel, Spaß, Bewegung, Meditation, Lebenssinn, soziale Beziehungen usw. kurz-, mittel- und langfristige Ziele und Planungen entwickelt werden.
Auseinandersetzung mit dem Tod und die Begleitung Sterbender
Eine wichtige Anwendungsform der Hypnose ist für Simonton die Auseinandersetzung mit dem Tod, den sich die Patienten in Trance vorstellen, um auch mit der Perspektive des Todes in Frieden leben zu können.
Für einen Patienten im Angesicht des Todes stellt sich vor allem die Frage, was er tun kann, damit seine Sterbeerfahrung friedvoller wird. Für den Therapeuten oder Unterstützer stellt sich die Frage, wie er dem Patienten beistehen kann, damit dieser gut sterben kann.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod hat den Sinn, dem Patienten ein besseres Leben zu ermöglichen, indem er seine Glaubenshaltungen gegenüber dem Tod verändert. Beispielsweise solle sich der Patient vorstellen, wie er seine Liebsten um sich habe, wenn er stirbt, wie sie ihn trösten, und was er ihnen sagen wolle, um bereit zu sein, loszulassen.
Für die meisten Patienten ist das größte Problem die Zeit bis zum Tod, das zweitgrößte Problem für sie ist in der Regel die Zeit nach dem Tod, das Sterben selbst dagegen beschäftigt sie am wenigsten.
In der Sterbebegleitung ist es das wichtigste, auf eine liebevolle Weise bei der Person zu sein, mit Gefühlen der Wertschätzung für die Person und den tiefen Wunsch, daß sie einen guten Tod hat. Die wichtigste Botschaft, die ein Sterbebegleiter mit Worten und in seiner Haltung vermitteln kann, ist:
„Alles ist gut. Mir geht es gut.“
“Allen geht es gut“.
Massiv störend sei es dagegen, sich abhängig an eine sterbende Person zu klammern und sie mit aller Kraft im Leben halten zu wollen, denn das störe den Sterbeprozeß.
Simonton berichtet, daß seine so unterstützten Patienten meistens einen guten Tod haben. Vielleicht einer von 20 Patienten habe einen schwierigen Tod, und das entspreche stets der dominierenden Einstellung seines Lebens.
Was eine mögliche Weiterexistenz nach dem Tod betrifft, sei die gesündeste, förderlichste Einstellung, daß das Bewußtsein nach dem Tod in einem positiven, wünschenswerten Zustand weiter existiert. In der Mitte stehe die Einstellung, daß es kein Weiterleben nach dem Tod gebe. Am ungesündesten sei die Einstellung, daß das Weiterleben nach dem Tode auch unerfreulich sein könne oder sein werde.
Die durchgängige Lehre aller spiritueller Traditionen, die von einer Weiterexistenz nach dem Tode ausgehen, ist, daß Liebe und Mitgefühl für uns selbst und für andere die beste Voraussetzung für eine gute Weiterexistenz nach dem Tode sei.
Simonton unterstützt die Patienten und ihre Begleiter durch hypnotische Sterbemeditationen (z.B. Simonton 1997, S. 122 ff). Er suggeriert in Trance das subjektive Erlebnis des Sterbens mit einer anschließenden „Reise ins Licht“, von wo aus man rückwirkend das eigene Leben überblickt. Von hier aus stellt man sich die Frage, wofür man in seinem Leben dankbar ist, was man bereut, was man wie gern anders gemacht hätte und vor allem was wirklich wichtig im Leben gewesen sei.
Sterbende haben leider häufig mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, von nutzlosen, gewaltsamen medizinischen Wiederbelebungsversuchen über die überwältigende Trauer der Angehörigen bis zu entwürdigender Verwaltung in Altersheimen, mit Schuldgefühlen, Verleugnungen, körperlichem Schmerz und dem Verlust von Beziehungen und Lebensperspektiven. Die Vorbereitung auf diese Schwierigkeiten und die Auseinandersetzung damit sei ein wichtiger Teil der Auseinandersetzung mit dem Tod.
Über das Erleben unmittelbar vor dem Sterben gibt es eine Fülle von Informationen vom ägyptischen und tibetischen Totenbuch über die Gespräche von Kübler-Ross bis zu Moody‘s Erfahrungen von Nah-Tod-Erlebnissen.
Simonton zitiert das tibetische Totenbuch, in dem ausgeführt wird, daß wir dazu neigen, so zu sterben, wie wir gelebt haben. Wenn wir also auf eine bestimmte Art sterben wollen (bewußt, friedvoll, gesund, schmerzfrei, umgeben von Menschen, die wir lieben, neugierig), dann müssen wir uns bemühen, auf diese Weise zu leben.
Es gibt viele Menschen, die gesund leben und gesund (d.h. friedvoll an Altersschwäche) sterben. Die Lebensweise solcher Menschen ist jedoch bis heute medizinisch und psychologisch außerordentlich wenig untersucht.
Sterbende berichten unmittelbar vor dem Tod häufig über ein taubes Gefühl in den Beinen und von einem Gefühl, als ob die Lebensenergie den Körper von den Beinen aus aufwärts und schließlich durch die Schädeldecke hindurch nach oben verlasse. Menschen in Nah-Tod-Erlebnissen berichten davon, daß sie tieferen Frieden und umfassendere Liebe empfunden hätten, als sie es je in ihrem Leben erfahren haben, und daß sie unmittelbar davor waren, in etwas als Licht Erlebtes hineinzugehen.
Als Unterstützer oder Therapeut kann man dem Sterbenden helfen, sich in Trance in diese Prozesse hinein zu entspannen und damit zu kooperieren, an schöne, angenehme Dinge zu denken und sich schließlich mit dem Licht zu vereinigen.
Manchmal sprechen Sterbende von selbst über schöne Dinge, an die sie denken, und das kann für alle Anwesenden eine tief bewegende Erfahrung sein.
Spezielle Übungen für Krebskranke
Der Patient erarbeitet sich in der Therapie existenzielle Überzeugungen, die er stärken möchte und entwickelt mit Unterstützung des Therapeuten rituelle Abfolgen von Verhaltensweisen, um die gewünschten Einstellungen zu stabilisieren. Simonton unterstützt die Patienten auch in der Ausübung traditioneller Riten (z.B. den Gebetsformen der verschiedenen Religionen), wenn diese Formen dem Patienten vertraut und hilfreich sind.
Eines der ältesten Rituale, um die „innere Weisheit“ zugänglich zu machen, ist die schamanische Trommelreise, die in vielen Naturvölkern bekannt und vermutlich Jahrzehntausende alt ist:
Die von einem Problem oder einer Frage betroffenen Angehörigen des Stammes versammeln sich, und der Schamane schlägt für etwa 20 bis 30 Minuten mit einem relativ schnellen Rhythmus (3-7 Schläge in der Sekunde) monoton eine Trommel. Währenddessen geht er gemeinsam mit den Anwesenden in Trance an „den Ort, an dem Antwort auf alle Fragen ist“. Hier wird dann das Problem vorgebracht oder die Frage gestellt und Rat und Antwort empfangen, wobei man die „Geister der Ahnen“ oder „Krafttiere“ herbeiholt und um Unterstützung bittet.
Die Anwendung von Ritualen dieser Art in der Krebstherapie fördert die gesunde Einstellung des Patienten, daß jeder Mensch für alle Fragen Hilfe erhalten kann, weil er sie jederzeit in sich trägt. Diese Erfahrung, die mit vielen Namen bedacht wird, wie: „Weisheit des Unbewußten“, „höheres Selbst“, „Intuition“ usw., ist praktisch jedem Menschen bekannt.
Patienten, die gegen sich selbst oder auf andere Personen Groll empfinden, bittet Simonton, auf ein Blatt Papier den Namen der Person zu schreiben und den Grund für den Groll. Dann solle der Patient sich vorstellen, daß dieser Person etwas Schönes wiederfahre, oder was ihr Freude machen würde. Viele Patienten erleben in dieser Übung eine große emotionale Entlastung.
Persönliche Rituale können weiterhin sein:
- in der Natur sein,
- Meditation nach verschiedenen Traditionen,
- Fragen mit in den Schlaf nehmen,
- singen,
- NLP-Übungen,
- aktive Imagination und Visualisierung,
- verbale Autosuggestion (Autogenes Training mit persönlichen Heilungssuggestionen),
- Trancetanz
Ein sehr hilfreiches, einfaches Ritual ist das täglich viele Male mit der inneren Stimme wiederholte Frage-Mantra:
„Was soll ich tun, damit es mir besser geht, was soll ich tun, um gesund zu werden?“
Unterstützer und Therapeuten
Eine der größten Schwierigkeiten in der Behandlung von Krebspatienten seien hemmende, einer Gesundwerdung im Wege stehende Einstellungen und Verhaltensweisen von Ehepartnern und Familienangehörigen der Kranken. Sehr hilfreich sei für diese Personen die Kraft der Gruppe, die manchmal innerhalb von drei bis fünf Tagen gerade die größten „Widerständler“ unter den Familienangehörigen zu den besten Unterstützern des Gesundungsprozesses werden ließe.
Das schwierigste Problem für die Unterstützer und Therapeuten sei das Anhaften an das Überleben bzw. die Heilung des Patienten. Zwanghaftes Fixiertsein an die Heilung stelle den Helfer und den Patienten unter Streß und mache eine langfristige professionelle Arbeit mit Krebskranken unmöglich. Der Therapeut müsse seine eigenen Anhaftungstendenzen sowie seine Neigungen zu Schuld- und Versagensgefühlen und Beschuldigungen erkannt und so weit wie möglich durchgearbeitet haben, um professionell mit Krebskranken arbeiten zu können.
Therapeuten und Unterstützer von Krebskranken müßten zuerst ihre eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und entscheiden, ob sie sie jetzt befriedigen oder vorübergehend zurückstellen wollen bzw. können. Der Patient müsse lernen, darum zu bitten, was er braucht, selbst dann, wenn vielleicht vom Gegenüber kein „Ja“ kommt. Wenn der Patient etwas erbittet, was der Therapeut oder Unterstützer nicht tun will oder kann, so müsse dieser das klar ausdrücken und könne dann fragen, ob er etwas anderes für den Patienten tun könne.
Der Prozeß des Patienten laufe meistens nicht so ab, wie der Therapeut, Unterstützer oder Ehepartner sich das vorstellen. Wenn diese also merken, daß der Patient ihrer Meinung nach ungesund lebt bzw. etwas bestimmtes anders machen sollte, so ist eine respektvolle, offene Kommunikation, aber ohne Druck wichtig.
Wenn sich eingefahrene Hierarchien durch die Krankheit verändern oder gar umkehren (z.B. ein in der Beziehung bisher überlegener Partner wird durch die Krankheit der Schwächere), kann es leicht dazu kommen, daß der bisher Unterlegene den Erkrankten alte Demütigungen „heimzahlt“. Hier ist manchmal psychotherapeutische Hilfe (Paar- oder Familientherapie) erforderlich.
Das Grundprinzip im Zusammensein mit Krebskranken ist es, Liebe zu kommunizieren. Die Grundeinstellung sollte sein:
„Ich möchte, daß es dir besser geht, und daß du gesund wirst, weil ich dich liebe. Aber für mich ist es auch in Ordnung, wenn es dir schlechter geht, oder wenn du stirbst.“
Therapeuten und Unterstützer müßten emotional in Kontakt mit dem Patienten sein und gleichzeitig lernen, sich um ihr eigenes Wohlbefinden zu kümmern. Das Anhaften an Vergängliches (das grundlegende Problem menschlichen Leidens) sei auch in der Arbeit mit Krebskranken der schwierigste Faktor. Spaß und Spiel seien die wichtigsten Aspekte der Gesunderhaltung und Heilung der Unterstützer und Therapeuten. Therapeuten und Unterstützer müßten Freude und Freunde in ihrem Leben haben, sonst können sie dem Patienten keine gesunde Haltung vermitteln.
Literatur
Fawsy: Malignant Melanoma, Archive of General Psychiatry, 50, 9/1993
LeShan: Diagnose Krebs – Wendepunkt und Neubeginn.
Siegel: Prognose Hoffnung.
Simonton: Auf dem Wege der Besserung, Rowohlt-Verlag 1997
Simonton: Wieder gesund werden, Rowohlt-Verlag 1982
Eberwein: Abenteuer Hypnose. Heilung durch Trance. Kösel-Verlag 1996.
Selbsthypnose-CD’s von Werner Eberwein
– Selbstheilungskräfte in der Seele entfalten. Kösel-Verlag 1996
– Angst verwandeln in Gelassenheit. Kösel-Verlag 1996.
– Loslassen. Hypnos-Verlag 1997.
– Morgen kann ich drüber lächeln. Kösel-Verlag 1998.
– Den Traumpartner finden. Kösel-Verlag 2000.
– Was ist mein Weg? Kösel-Verlag 2002.
Adressen
Carl Simonton Cancer Center,
Auskünfte über das Programm: Post Office Box 890, Pacific Palisades, CA 90 272, ( 001 – 800 – 459 – 3424 / 001 – 310 – 457 – 3811, Fax 001 – 310 – 457 – 0421, Internet: http://www.simontoncenter.com
Literatur- und Tonbandcassetten: Simonton Cancer Center, Tape and Literature Department, P.O.Box 1198, Azle, Texas 760 20, USA, ( 001 – 817 – 444 – 4013
Patienten-Arbeitswochen Fortbildungen nach Carl Simonton:
Paul Baur & Brunhilde Saur-Baur, Starenweg 26, 70736 Fellbach-Schmieden, ( 0711 – 515 989, Fax 0711 – 516 05 36, e-mail paur.baur@t-online.de
Auskünfte über Therapiemöglichkeiten nach Carl Simonton:
ZIST, Zentrum für Individual- und Sozialtherapie e.V., Zist 3, D-82377 Penzberg, ( 08856 – 5192 (Mo-Fr 9-13.30 Uhr)
Adresse des Autors
Werner Eberwein, Diplom-Psychologe, Psychotherapeut
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