Was ist der „Felt Sense“?
Der Felt Sense ist ein zentraler Begriff in der von Eugene T. Gendlin entwickelten Methode des Focusing. Er beschreibt eine vage, körperlich gespürte Gesamtempfindung, die mit einem bestimmten Thema, Problem oder Lebensaspekt zusammenhängt. Dabei handelt es sich nicht um ein deutliches Gefühl wie Wut oder Freude, sondern um ein oft schwer fassbares inneres Gespür – eine Art „diffuses Wissen im Körper“.
Merkmale des Felt Sense:
- Ganzheitlich: Er umfasst mehr als nur Gedanken oder Gefühle – es ist ein körperlich gespürter Sinn für das Ganze eines Problems oder einer Situation.
- Vage, aber bedeutungsvoll: Anfangs ist er unklar und schwer in Worte zu fassen, aber er trägt implizite Bedeutungen in sich.
- Körperlich lokalisiert: Der Felt Sense wird meist im Brust- oder Bauchraum gespürt.
- Veränderbar: Wenn man ihm achtsam Aufmerksamkeit schenkt, kann er sich wandeln und „Antworten“ liefern – oft in Form eines „Felt Shift“, einer körperlichen Erleichterung oder Klarheit.
Beispiel:
Du denkst an eine bevorstehende Entscheidung und spürst ein unbestimmtes Druckgefühl im Bauch – nicht direkt Angst oder Unsicherheit, sondern etwas, das „noch keine Worte hat“. Das ist ein Felt Sense. Wenn du ihm freundlich zuhörst, ohne ihn zu drängen, kann sich nach einer Weile ein klares inneres Bild oder ein passendes Wort zeigen, das „genau trifft“, was du spürst. Das bringt oft Erleichterung.
Focusing-Übung: Dem Körper zuhören
1. Komm bei dir an
Setze oder lege dich bequem hin.
Schließe die Augen, wenn du magst.
Spüre den Kontakt deines Körpers mit dem Boden oder dem Stuhl.
Nimm einige ruhige Atemzüge – ohne etwas verändern zu müssen.
2. Lade ein Thema ein
Lass ein Thema in dir auftauchen, das dich gerade beschäftigt – etwas, das noch nicht ganz klar ist, vielleicht eine Entscheidung, eine Frage, ein ungutes Gefühl.
Es muss nicht dramatisch sein – nur „irgendetwas, das noch nicht ganz stimmig ist“.
3. Spüre in deinen Körper
Richte nun deine Aufmerksamkeit in deinen Körper – besonders in die Mitte: Brust, Bauch.
Wie fühlt sich das Thema dort an?
Vielleicht spürst du ein Ziehen, einen Druck, ein dumpfes Gefühl – vielleicht auch nur Leere oder ein Zögern.
Das ist dein Felt Sense. Er ist vage, aber er trägt Bedeutung in sich.
Bleib einfach still dabei. Lass es da sein, ohne es ändern zu wollen.
4. Begrüße, was du spürst
Sag innerlich so etwas wie:
„Ja, da ist etwas… ich weiß noch nicht, was es ist, aber ich spüre dich.“
Bleib freundlich und neugierig. Stell keine Diagnose. Nur da sein.
5. Finde ein Wort oder Bild
Frag nun sanft: „Was ist die Qualität dieses Gefühls?“
Vielleicht kommt ein Wort wie unsicher, engen Tunnel, Warten, schwankend…
Oder ein Bild: ein Nebel, ein Knoten, ein Schatten, …
Wenn du das passende Wort oder Bild findest, spürst du meist: Ja, genau das ist es! – das ist ein Felt Shift.
6. Bleib noch einen Moment
Bleib mit dem, was du gespürt hast, in ruhigem Kontakt.
Vielleicht verändert es sich, vielleicht nicht – beides ist okay.
Dann danke deinem Körper – für das, was er dir gezeigt hat.
Atme ein paar Mal tief durch und öffne die Augen, wenn du bereit bist.
Werner Eberwein