Was ist Co-Abhängigkeit?

Co-Abhängigkeit (engl. codependency) ist ein Begriff aus der Psychologie und Suchtforschung. Er beschreibt ein Beziehungsmuster, bei dem eine Person ihr eigenes Denken, Fühlen und Handeln stark von einer anderen Person abhängig macht – oft von jemandem, der suchtkrank, psychisch belastet oder anderweitig hilfsbedürftig ist.

Merkmale von Co-Abhängigkeit

  • Übermäßige Fürsorge: Betroffene stellen die Bedürfnisse anderer ständig über die eigenen und fühlen sich für deren Wohlergehen verantwortlich.
  • Kontrollversuche: Sie versuchen, das Verhalten des anderen zu steuern (z. B. Trinkverhalten), um Chaos oder Konflikte zu vermeiden.
  • Selbstvernachlässigung: Eigene Wünsche, Gefühle und Grenzen werden kaum wahrgenommen oder gelten als unwichtig.
  • Angst vor Verlassenwerden: Starke Bindung an den anderen, auch wenn die Beziehung schädlich ist.
  • Geringes Selbstwertgefühl: Das Selbstbild hängt stark davon ab, gebraucht oder anerkannt zu werden.

Typische Kontexte

  • Partnerschaften mit suchtkranken Menschen (Alkohol, Drogen, Glücksspiel).
  • Familien, in denen ein Elternteil psychisch krank oder suchtkrank ist.
  • Beziehungen, in denen Machtungleichgewichte bestehen (z. B. narzisstisch-abhängige Dynamik).

Psychologische Sicht

Co-Abhängigkeit gilt nicht als eigenständige psychische Störung im offiziellen Diagnosesystem (ICD-10/11, DSM-5), sondern als erlerntes Beziehungs- und Bewältigungsmuster, das sich oft aus Kindheitserfahrungen entwickelt: Wenn Kinder früh Verantwortung übernehmen mussten, lernen sie häufig, eigene Bedürfnisse zurückzustellen, um Sicherheit oder Anerkennung zu bekommen.

Folgen

  • Chronischer Stress, Erschöpfung, Depression, psychosomatische Beschwerden.
  • Verharren in ungesunden Beziehungen.
  • Schwierigkeiten, die eigene Identität unabhängig von anderen zu definieren.

Wege aus der Co-Abhängigkeit

  • Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge stärken (eigene Bedürfnisse, Gefühle ernst nehmen).
  • Grenzen setzen lernen (Nein sagen, Verantwortung abgeben).
  • Therapie oder Selbsthilfegruppen (z. B. Angehörigengruppen von Anonymen Alkoholikern).
  • Stärkung des Selbstwertgefühls durch neue Erfahrungen und gesunde Beziehungen.

Kurz gesagt: Co-Abhängigkeit bedeutet, dass das eigene Wohlbefinden stark vom Zustand eines anderen abhängt – oft so sehr, dass man sich selbst verliert.

Werner Eberwein