Was ist Aggression?

Aggression ist ein Verhalten oder eine innere Haltung, bei der eine Person (oder ein Tier) darauf abzielt, anderen zu schaden, sie zu verletzen, zu bedrohen oder zu dominieren. Sie kann sich körperlich, verbal oder psychisch äußern und richtet sich gegen andere oder – bei autoaggressivem Verhalten – gegen sich selbst.

Formen von Aggression:

  1. Offene (direkte) Aggression – z. B. Schlagen, Beschimpfen, Anschreien.
  2. Verdeckte (indirekte) Aggression – z. B. Lästern, Ausgrenzen, Intrigen.
  3. Instrumentelle Aggression – zielgerichtet, um etwas zu erreichen (z. B. Macht).
  4. Reaktive Aggression – als impulsive Reaktion auf eine Provokation.
  5. Feindselige Aggression – aus Wut oder Hass, ohne klares Ziel.
  6. Autoaggression – gegen sich selbst gerichtet (z. B. Selbstverletzung).

Ursachen:

  • Biologisch: Hormonelle Einflüsse (z. B. Testosteron), neurologische Strukturen (z. B. Amygdala).
  • Psychologisch: Frustration, Traumata, mangelnde Impulskontrolle.
  • Sozial: Erziehung, Vorbilder, Gewalt in der Umgebung.
  • Situativ: Stress, Alkohol, Provokation.

Psychologische Funktion:

Aggression ist nicht nur destruktiv – sie kann auch schutzgebend, grenzsetzend oder befreiend wirken, etwa wenn jemand sich gegen Unrecht wehrt. In der Psychotherapie wird oft zwischen konstruktiver und destruktiver Aggression unterschieden.

Konstruktive Aggression bezeichnet eine Form von Aggression, die nicht zerstörerisch oder verletzend wirkt, sondern zielgerichtet, selbstbehauptend und entwicklungsfördernd eingesetzt wird. Sie ist ein gesunder Bestandteil menschlicher Selbstregulation und sozialer Interaktion.

Merkmale konstruktiver Aggression:

  • Selbstschutz: Sie dient dem Schutz eigener Grenzen (z. B. „Nein sagen“ können).
  • Durchsetzungskraft: Sie ermöglicht, eigene Interessen zu vertreten, ohne andere zu unterdrücken.
  • Lebensenergie: Sie mobilisiert Kraft für Veränderung, Kreativität oder Widerstand gegen Ungerechtigkeit.
  • Respektvoller Ausdruck: Sie äußert sich in klarer, aber nicht verletzender Kommunikation (z. B. in der gewaltfreien Kommunikation).
  • Bewusst gesteuert: Sie ist nicht impulsiv oder reaktiv, sondern reflektiert und zielgerichtet.

Beispiele:

  • Ein Mensch setzt sich gegen Mobbing am Arbeitsplatz zur Wehr.
  • Ein Kind schreit „Lass mich in Ruhe!“, wenn jemand seine Grenzen überschreitet.
  • In einer Therapie äußert jemand endlich seinen lang unterdrückten Ärger über frühere Verletzungen – nicht um zu verletzen, sondern um zu heilen.

Konstruktive Aggression ist also nicht das Gegenteil von Aggression, sondern deren gesunde, integrierte Form. Sie steht im Gegensatz zur destruktiven (verletzenden oder unterdrückten) Aggression und ist zentral für Selbstwirksamkeit und gesunde Beziehungen.

Destruktive Aggression ist eine Form der Aggression, die auf Verletzung, Zerstörung oder Unterwerfung abzielt – sei es gegenüber anderen, sich selbst oder Dingen. Sie entsteht oft aus innerem Stress, Angst, Ohnmacht oder ungelösten Konflikten und wirkt entfremdend, eskalierend oder schädigend.

Merkmale destruktiver Aggression:

  • Verletzungsabsicht: Ziel ist, anderen (oder sich selbst) Schaden zuzufügen.
  • Impulsivität: Oft unkontrolliert, wütend oder rachsüchtig.
  • Fehlende Empathie: Bedürfnisse und Grenzen anderer werden übergangen oder missachtet.
  • Machtmissbrauch: Sie dient der Unterdrückung, Einschüchterung oder Dominanz.
  • Selbstschädigung: Auch selbstverletzendes Verhalten oder Autoaggression gehört dazu.

Beispiele:

  • Ein Mensch beleidigt oder schlägt einen anderen im Streit.
  • In einer Beziehung wird dauerhaft erniedrigt oder manipuliert.
  • Jemand richtet seine unterdrückte Wut gegen sich selbst (z. B. durch Selbsthass, Alkoholmissbrauch, Essstörungen).

Destruktive Aggression ist oft ein Ausdruck von Hilflosigkeit, Angst oder Trauma, kann aber auch gezielt eingesetzt werden, um Kontrolle oder Überlegenheit zu gewinnen. Sie zerstört Vertrauen, Beziehungen und langfristig auch das eigene Selbstbild.

Therapeutisch geht es nicht darum, Aggression zu unterdrücken, sondern ihre destruktiven Formen zu transformieren in konstruktive, lebendige Kraft – also sie zu integrieren, statt sie zu verleugnen oder auszuagieren.

Werner Eberwein