Was für ein Wert hat Konfrontation in der Psychotherapie?

Konfrontation in der Psychotherapie hat einen wichtigen, aber sensiblen Stellenwert. Sie kann helfen, psychisches Wachstum und Veränderung zu fördern – vorausgesetzt, sie wird achtsam und gezielt eingesetzt.

Konfrontation wird benutzt …

1. Um die Selbstwahrnehmung zu fördern:

Konfrontation kann blinde Flecken aufdecken – zum Beispiel widersprüchliches Verhalten, verdrängte Emotionen oder selbstschädigende Denkmuster. Das hilft Patient*innen, sich selbst besser zu verstehen.

2. Um Vermeidungsmuster zu durchbrechen:

Viele psychische Probleme werden durch Vermeidung verstärkt (z. B. bei Angst oder Trauma). Die Konfrontation mit unangenehmen Gedanken, Gefühlen oder Erinnerungen kann helfen, sich diesen zu stellen und neue Wege zu finden.

3. Um Echtheit in der Beziehung zu fördern:

Wenn Therapeut*innen auf respektvolle Weise konfrontieren, kann das die therapeutische Beziehung vertiefen. Es zeigt Authentizität und Engagement – dass man nicht nur „zuhört“, sondern auch herausfordert.

4. Um Veränderung anzustoßen:

Manche Menschen brauchen einen kleinen „Stupser“, um Veränderungen anzugehen. Eine gezielte Konfrontation kann Motivation wecken oder Klarheit schaffen, wo jemand feststeckt.

Aber:
Konfrontation ist kein Angriff, sondern ein Spiegel – verbunden mit Empathie und Klarheit! Zu viel oder unsensible Konfrontation kann verletzen oder Widerstand erzeugen. Es braucht also Fingerspitzengefühl und eine tragfähige Beziehung.

Beispiel – Konfrontation in der Gesprächspsychotherapie:

Klientin:
„Ich versteh nicht, warum ich immer wieder an Männer gerate, die mich schlecht behandeln. Aber ich kann auch nichts dagegen tun.“

Therapeutin (konfrontierend, aber empathisch):
„Sie sagen, Sie könnten nichts dagegen tun – gleichzeitig haben Sie vorhin erzählt, dass Sie die Anzeichen schon früh sehen, aber trotzdem bleiben. Ich frage mich, ob es da vielleicht einen Teil in Ihnen gibt, der diesen Schmerz in Kauf nimmt – oder vielleicht sogar erwartet?“

Was passiert hier?
Die Therapeutin konfrontiert die Klientin mit einem inneren Widerspruch: Sie erkennt die Warnzeichen, bleibt aber trotzdem mitfühlend. Dabei stellt sie keine Schuldzuweisung in den Raum. Die Frage lädt zur Selbstreflexion ein – das ist der zentrale Wert der Konfrontation.

Beispiel – Konfrontation in der Körperpsychotherapie:

In der Körperpsychotherapie hat Konfrontation eine besondere Qualität – sie kann nicht nur verbal, sondern auch über den Körper stattfinden. Hier wird der Körper als „Speicher“ von Emotionen, Erinnerungen und unbewussten Mustern verstanden. Konfrontation kann helfen, diese Muster sichtbar und erlebbar zu machen.

Szene:
Ein Klient hat Schwierigkeiten, seine Wut auszudrücken. Er wirkt im Gespräch ruhig und kontrolliert, berichtet aber von innerer Anspannung und Rückenschmerzen.

Therapeutin (nach einer Weile):
„Ich sehe, wie Ihr Kiefer angespannt ist, und Ihre Schultern wirken, als würden sie etwas festhalten. Was passiert, wenn Sie diese Spannung mal ganz bewusst spüren?“

Was passiert hier?

  • Die Therapeutin konfrontiert eine Diskrepanz zwischen verbaler Aussage („Ich bin ruhig“) und körperlicher Realität (Anspannung, Blockade).
  • Die Konfrontation ist achtsam und nicht verletzend, sondern eine Einladung zur Selbsterfahrung.
  • Der Klient wird ermutigt, sich mit einem inneren Konflikt zu verbinden – in diesem Fall vielleicht unterdrückte Wut oder Angst vor Kontrollverlust.

Ziel der Konfrontation:

  • Abwehrmechanismen erkennen (z. B. Körperspannung statt Emotion).
  • Den Zugang zu verdrängten Gefühlen ermöglichen.
  • Erleben statt nur Sprechen – über den Körper neue Erfahrungen machen.

Werner Eberwein