Psychotherapie als professioneller Dialog

Werner Eberwein, Psychologischer Psychotherapeut und Vorstands- sowie Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (AGHPT), zum Charakter der Humanistischen Psychotherapie.

Im Mittelpunkt der Humanistischen Psychotherapie steht die Vorstellung des potentiell mündigen Menschen als Subjekt, das auf Basis seiner biologischen, sozialen, ökologischen und biografischen Einbindungen bewusst erleben, wahlfrei und verantwortlich handeln und über seine gesamte Lebensspanne hinweg seine Existenz in seinen sozialen Bezügen aktiv und kreativ gestalten kann. In der Humanistischen Psychotherapie wird der Mensch in seiner Geschichtlichkeit gesehen, also seiner Vergangenheits- und Zukunftsorientiertheit, sowie in seiner Fähigkeit zur Introspektion und zu reflexivem Denken. Der Mensch hat die Fähigkeit zur Ko-Kreation sozialer Prozesse sowie zu personaler Liebe und Mitgefühl und zum engagierten Sich-Einsetzen und Sich-Auseinandersetzen.

Intersubjektiver Prozess

Humanistische Psychotherapie ist ein kooperativer, intersubjektiver Prozess, ein professioneller Dialog mit dem Ziel, das psychische und psychosomatische Leid des Patienten zu lindern. Der Dialog beinhaltet das Gewahrsein und die Förderung des Ausdrucks sowohl auf der verbalen und inhaltlichen als auch auf der nonverbalen Körperausdrucksebene. Der Dialog findet sowohl zwischen dem Patienten und dem Therapeuten statt, als auch zwischen dem Patienten und anderen Personen, beispielsweise dann, wenn der Patient mit diesen Personen in Konflikt steht und sie in einem therapeutischen Rollenspiel imaginiert. Der Dialog läuft aber auch innerhalb des Patienten sowie innerhalb des Therapeuten unter ihren jeweiligen Selbstanteilen, Gefühlen, Phantasien und Impulsen ab. Dabei übernimmt der Therapeut unter anderem die Funktion, die inneren und äußeren Dialoge des Patienten zu moderieren. Der Patient wird im Rahmen der Therapie zur Selbstempathie ermutigt. Seine selbstreflexiven und empathischen Fähigkeiten sowie seine Fähigkeit zu klarem, authentischem und respektvollem Ausdruck in seinen Beziehungskontexten werden gefördert.

Von Sinn getragenes Leben

Die Interventionstechniken der Humanistischen Psychotherapie werden auf Basis einer grundsätzlich akzeptierenden, personal wertschätzenden Haltung zur Förderung der konstruktiven Auseinandersetzung des Patienten mit seinen Beziehungs- und Einstellungsmustern angewandt, was dem Patienten die Erfahrung vermittelt, als Person gewürdigt und unterstützt zu werden. Zur Behandlung von psychischen Störungen stellt die Humanistische Psychotherapie die Förderung der psychischen Weiterentwicklung des Patienten in seinen sozialen Bezügen in den Mittelpunkt. Dies geschieht unter anderem durch Aktivierung und Entfaltung spezifisch menschlicher Potenziale (Ressourcen) und ist auf ein von persönlichem Sinn getragenes, selbstverwirklichendes, authentisches und sozial verantwortliches Leben hin ausgerichtet.

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Fortgesetzte dialogische Erkundung

Humanistische Psychotherapie ist eine fortgesetzte dialogische Erkundung und Transformation der Beziehungs- und Einstellungsmuster des Patienten in Achtsamkeit auch für Prozesse an der Grenze des Gewahrseins. Im Fokus des humanistischen Psychotherapieprozesses steht das unmittelbare emotionale Erleben des Patienten in seiner Funktion der Bewertung der Lebensrealität auf Basis von Bedürfnissen und als Grundlage von Entscheidungsprozessen. Der Patient wird ermutigt, seine zunächst noch unklaren oder unbewussten inneren Prozesse differenziert zu erleben und zu verarbeiten, kognitiv zu integrieren, zu verstehen, der Symbolisierung und Verbegrifflichung zugänglich zu machen und sozial angemessen verbal und nonverbal zu kommunizieren. Die empathisch zugewandte und zugleich professionell abgegrenzte, gegebenenfalls auch konfrontative Haltung des Therapeuten sowie die Halt, Struktur und einen Experimentierraum gebende Therapeut-Patient-Beziehung werden als fundamentale Ressourcen für konstruktive psychotherapeutische Fortschritte verstanden. Weg zum besseren Selbstverständnis Der humanistische Psychotherapeut bemüht sich, empathisch, also in stellvertretender Introspektion, und durch Förderung des Erfahrungszugangs des Patienten zu dessen körperlichen, psychischen und interaktiven (Er-)Lebensprozessen zusammen mit diesem sinnhaft zu klären und zu verstehen, was und wie er erlebt. Das hilft dem Patienten, sich auch in seinen zunächst noch unklaren Anteilen und Zuständen allmählich besser zu verstehen, sowie sich mit seinen Erfahrungen, Wünschen, Bedürfnissen, Lebenseinstellungen und Werten konstruktiv auseinanderzusetzen. Die Tendenz des Patienten zur Aktualisierung alter Beziehungsmuster und Einstellungen in der Psychotherapeut- Patient-Beziehung wird als Möglichkeit gesehen und genutzt, um diese Muster dem Erleben und Verstehen im Rahmen der psychotherapeutischen Transformation zugänglich zu machen.

Die psychische Struktur stabilisieren

Humanistische Psychotherapie dient dazu, die Resilienz, Vitalität und Kreativität des Patienten, seine latenten Fähigkeiten zur Gestaltung, Selbstregulation, Strukturierung und Abgrenzung zu fördern. Durch eine Vielfalt von erlebnisaktivierenden und reflexionsfördernden Interventionstechniken sollen abgespaltene Selbstanteile integriert, die psychische Struktur stabilisiert und harmonisiert sowie verkörperte Blockaden und Hemmungen gelöst werden.

Werner Eberwein