Ist Körperpsychotherapie kann bei narzisstischen Störungen wirksam?
Eine sehr hilfreiche Ergänzung oder sogar ein zentraler Bestandteil der Behandlung sein. Während klassische Psychotherapie oft kognitiv und gesprächsorientiert arbeitet, richtet sich die Körperpsychotherapie stärker auf das direkte Erleben im Körper – also auf Spannung, Atmung, Haltung und Bewegung. Das ist bei narzisstischen Störungen besonders relevant, weil viele Betroffene ein gestörtes Selbst- und Körpergefühl haben.
Wiederherstellung des Körperbezugs: Menschen mit narzisstischen Strukturen haben oft einen schwachen Kontakt zu ihrem eigenen Körper. Sie nehmen sich eher durch äußere Spiegelung wahr („Wie sehen mich andere?“) als durch inneres Erleben. Körperpsychotherapie kann helfen, ein echtes „Ich-Gefühl“ im Körper aufzubauen.
Arbeit mit Spannung und Abwehr: Narzisstische Persönlichkeitszüge gehen oft mit chronischer Muskelspannung einher – eine Art „Panzer“, um sich vor Verletzlichkeit zu schützen. Körpertherapie kann diese Spannungen sanft lösen und damit auch emotionale Abwehrmechanismen zugänglich machen.
Emotionale Integration: Durch körperliche Interventionen (z.B. Atemübungen, Berührung, Ausdrucksarbeit) kommen oft unterdrückte Gefühle an die Oberfläche – etwa Scham, Wut oder Trauer. In einem sicheren Rahmen kann das zur Integration und Heilung führen.
Stärkung des Selbstwertgefühls: Ein zentrales Thema bei narzisstischen Störungen ist ein fragiles Selbstwertgefühl. Über körperlich erlebte Selbstwirksamkeit – etwa durch Haltung, Stimme, Bewegung – kann das Selbst gestärkt werden, ohne in Grandiosität zu verfallen.
Beziehungsfähigkeit: In der körperzentrierten Arbeit entsteht oft eine intensive therapeutische Beziehung. Das ist eine Chance, korrigierende emotionale Erfahrungen zu machen – z. B. gesehen, gehalten oder akzeptiert zu werden, ohne sich beweisen zu müssen.
Methoden
Bioenergetik (nach Alexander Lowen)
Grundidee: Der Körper speichert emotionale Konflikte in chronischen Muskelverspannungen („Muskelpanzer“).
Ziel: Blockierte Energie wieder ins Fließen bringen, um Gefühle zu befreien und die Selbstwahrnehmung zu vertiefen.
Typische Übungen: Zittern, Stampfen, Schreiübungen, Erdung, tiefe Atmung.
Geeignet bei: Stark unterdrückten Emotionen, starrer Körperhaltung, innerer Leere.
Hakomi-Methode (nach Ron Kurtz)
Grundidee: „Bewusstheit durch Achtsamkeit im Körper“. Der Körper zeigt unbewusste Glaubenssätze (z. B. „Ich bin nicht gut genug“).
Ziel: Diese Glaubenssätze im Körper aufspüren und transformieren – in einem achtsamen, liebevollen Raum.
Techniken: Achtsamkeitsübungen, sanfte Berührung, Experimente mit Körperhaltung, innere Bilder.
Sehr hilfreich bei: Fragilem Selbstwert, Scham, alten Verletzungen, Beziehungsthemen.
Somatic Experiencing (nach Peter Levine)
Fokus: Verarbeitung von Trauma durch das körperliche Nervensystem.
Ziel: Die natürliche Selbstregulation des Körpers wiederherstellen, besonders nach Schock oder Entwicklungstrauma.
Vorgehen: Sehr langsame, achtsame Arbeit mit körperlichen Empfindungen, Zittern, Entladen von Stress.
Gut geeignet bei: Tiefer innerer Unruhe, Kontrollverlust, Angst, Übererregung oder Taubheit.
Biodynamische Körperpsychotherapie (nach Gerda Boyesen)
Ziel: Emotionale Blockaden über den Körper und das vegetative Nervensystem auflösen.
Besonderheit: Arbeit mit Bauchmassage („Psychoperistaltik“) – das Nervensystem „verdaut“ emotionale Erlebnisse.
Geeignet bei: Innerem Druck, psychosomatischen Beschwerden, Schuldgefühlen, Überanpassung.
Integrative Körperpsychotherapie (IKP)
Ansatz: Kombination aus Gespräch, Körperwahrnehmung, Atmung und Ausdruck.
Ziel: Ganzheitliche Integration von Körper, Gefühl und Denken.
Stil: Sehr behutsam, prozessorientiert, oft in Verbindung mit kreativem Ausdruck (z. B. Malen, Bewegung).
Empfehlenswert bei: Menschen mit viel Selbstkontrolle, innerer Leere oder Identitätsproblemen.
Werner Eberwein