Ist die Kriegsangst in Deutschland berechtigt?
Viele Menschen in Deutschland empfinden momentan eine gewisse Angst vor Krieg, vor allem im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, den Spannungen mit Russland und der allgemeinen Unsicherheit in der Welt.
Ob diese Angst berechtigt ist, hängt davon ab, was man genau meint:
1. Ist ein direkter Krieg in Deutschland wahrscheinlich?
Aktuell ist ein direkter Krieg auf deutschem Boden unwahrscheinlich. Deutschland ist Teil der NATO, und ein Angriff auf ein NATO-Land würde eine starke internationale Reaktion auslösen. Das schreckt potenzielle Angreifer ab. Auch Russland weiß, dass ein Krieg mit der NATO unabsehbare bis katastrophale Folgen hätte.
2. Warum ist trotzdem Angst da?
- Der Ukraine-Krieg zeigt, dass Krieg in Europa wieder Realität ist.
- Eskalationen (z. B. durch Waffenlieferungen oder politische Spannungen) könnten theoretisch auch zu größerem Konflikt führen.
- Viele Medienberichte und politische Aussagen (z. B. über Wehrpflicht, Aufrüstung) schüren Sorgen.
3. Ist Vorbereitung sinnvoll?
Auch wenn ein Krieg unwahrscheinlich ist, ist es nicht irrational, sich mit Notfallvorsorge zu beschäftigen (z. B. was das Bundesamt für Bevölkerungsschutz empfiehlt). Das stärkt das Gefühl von Kontrolle.
Die Angst ist emotional verständlich, aber rational betrachtet nicht dramatisch begründet. Es gibt Spannungen, ja – aber keine akuten Hinweise auf einen baldigen Krieg in Deutschland. Wichtig ist, informiert zu bleiben, aber sich nicht von Panik treiben zu lassen.
Donald Trumps Haltung zur NATO, besonders zu Artikel 5 des NATO-Vertrags, hat weltweit für große Unsicherheit gesorgt, auch in Deutschland.
Was ist Artikel 5 überhaupt?
Artikel 5 ist das Herzstück der NATO: Ein Angriff auf ein Mitglied wird als Angriff auf alle betrachtet. Das heißt, wenn z. B. Deutschland angegriffen würde, müssten die USA, Frankreich, Polen etc. zu Hilfe kommen – und umgekehrt.
Was hat Trump gesagt bzw. getan?
- Trump hat mehrfach infrage gestellt, ob die USA wirklich automatisch helfen würden, besonders wenn ein Land „nicht genug für seine eigene Verteidigung zahlt“.
- Er hat zum Beispiel gesagt, er würde Russland „ermutigen“, Länder anzugreifen, die ihre Verteidigungsausgaben nicht erfüllen.
- Das hat das Vertrauen in die Schutzgarantie der USA massiv beschädigt – vor allem in Osteuropa, aber auch in Deutschland.
Welche Folgen hat das?
- Unsicherheit in Europa: Wenn der größte NATO-Partner nicht mehr verlässlich hilft, wächst die Angst, im Ernstfall allein dazustehen.
- Aufrüstung in Europa: Länder wie Deutschland erhöhen ihr Militärbudget – aus Sorge, sich mehr selbst verteidigen zu müssen.
- Debatte über „europäische Verteidigung“: Einige Politiker wollen eine stärkere militärische Unabhängigkeit von den USA (z. B. über die EU).
Ist die Sorge berechtigt?
- Trump hat tatsächlich das Vertrauen erschüttert.
- Er könnte er NATO-Entscheidungen blockieren oder sogar austreten – beides hätte große Folgen für Europa.
Aber:
- Viele in den USA (Kongress, Militär, Bevölkerung) stehen klar hinter der NATO, auch gegen Trumps Kurs.
- Es ist also nicht sicher, dass Trump alles durchsetzen könnte, was er sagt – aber die Unsicherheit bleibt.
Trumps Haltung zu Artikel 5 macht Europas Sicherheitslage instabiler – nicht, weil ein Krieg sicher ist, sondern weil das Sicherheitsnetz nicht mehr garantiert wirkt. Das ist ein zentraler Grund für die heutigen Ängste und die politische Nervosität in Deutschland.
Wie kann Europa sich militärisch absichern, wenn die USA (z. B. unter Trump) keine verlässlichen Partner mehr sind?
1. Eigene Verteidigung stärken
- Mehr Geld für Verteidigung: Viele Länder (auch Deutschland) erhöhen ihre Militärausgaben. Ziel: moderne Ausrüstung, mehr Soldaten, schnellere Reaktion.
- Weniger Abhängigkeit von US-Technik: Europa könnte eigene Waffen- und Abwehrsysteme entwickeln, z. B. Drohnen, Kampfjets, Raketenabwehr.
2. Europäische Verteidigungsunion
- Die EU könnte eine Art „EU-Armee light“ aufbauen:
- Gemeinsame Truppen
- Gemeinsames Kommandozentrum
- Gemeinsame Übungen
- Bisher gibt es nur Ansätze (z. B. PESCO), aber kein echtes Verteidigungsbündnis wie die NATO.
3. Atomare Abschreckung aus Europa
- Bisher ist der „nukleare Schutzschirm“ Europas abhängig von den USA.
- Manche fordern, dass Frankreichs Atomwaffen als europäischer Schutz dienen könnten.
- Das ist politisch sehr heikel – aber in ernsten Sicherheitsdebatten wird es ernsthaft diskutiert.
4. Stärkere Zusammenarbeit mit Nachbarländern
- Auch Länder wie Norwegen, Großbritannien oder die Schweiz (nicht in der EU, aber in Europa) könnten eingebunden werden.
- Ziel: Ein europäisches Sicherheitsnetz, auch ohne USA.
5. Cybersicherheit & hybride Bedrohungen
- Europa muss sich auch gegen Cyberangriffe, Desinformation, Sabotage wappnen.
- Hier ist Zusammenarbeit entscheidend – z. B. durch gemeinsame Sicherheitszentren und Reaktionsteams.
Hindernisse dabei:
- Unterschiedliche Interessen der EU-Staaten.
- Angst vor „Doppelstrukturen“ zur NATO.
- Politischer Wille fehlt oft – oder es geht sehr langsam.
Europa kann sich besser absichern – aber es braucht:
- mehr politische Entschlossenheit
- klare gemeinsame Ziele
- und mutige Entscheidungen (auch unbequeme, wie z. B. zur Atomfrage)
Werner Eberwein