Was heißt „Moderation von Interaktionen“?
Der Therapeut ist nicht nur in die verbalen und nonverbalen, bewussten und unbewussten Interaktionen mit dem Patienten eingewoben, er moderiert auch aktiv und gegebenenfalls ritualisierend auf reflektierende oder vorbereitend-einübende Weise die inneren und äußeren Interaktionen des Patienten, um Transformationen von Beziehungsmustern anzustoßen und sie einer emotionalen Verarbeitung und wenn möglich einer alltagspraktischen Neugestaltung zuzuführen. Das kann entweder auf der Gesprächsebene geschehen oder durch Rollenspiele oder unter Einbeziehung von imaginativen oder körperorientierten Techniken.
Die in Psychotherapien mit Abstand am häufigsten thematisierten Probleme von Patienten sind Schwierigkeiten im Kontakt mit nahen Bezugspersonen, also mit Partnern, Familienangehörigen, Kollegen oder Freunden. Diese Schwierigkeiten können aktueller Natur sein, oder es kann sich um unverarbeitete und belastende Folgen alter Beziehungsverstrickungen, um Ängste vor bevorstehenden oder Wünsche nach ersehnten Begegnungen handeln. Der Patient ist dann im Hintergrund seines Gewahrseins mit Auseinandersetzungen beschäftigt, die er nicht konstruktiv lösen kann, die aber einen erheblichen Teil seiner Vitalität binden.
Es muss sich dabei nicht nur um Interaktionen zwischen dem Patienten und anderen realen Personen handeln, sondern es kann sich zugleich auch um intrapsychische Interaktionen mit oder zwischen ambivalenten Anteilen des Patienten selbst handeln (Hartmann-Kottek 2004).
Beispiel: Eine 35-jährige Patientin fühlt sich von ihrer Mutter „belagert“, ja zeitweise regelrecht verfolgt und hat große Schwierigkeiten, sich von ihr abzugrenzen. Ihre Mutter erwartet von der Patientin, dass sie jeden Tag anruft, über jedes kleine Erlebnis Bericht erstattet und zu jeder Tages- und Nachtzeit als Ansprechpartnerin auch für die Probleme der Mutter zur Verfügung steht.
Der Therapeut schlägt der Patientin vor, den Anteil ihrer selbst, der an die Mutter gebunden ist und selbst ein Bedürfnis nach intensivem Kontakt zu ihr hat, auf einen Stuhl zu setzen, den Anteil, dem der Kontakt zu der Mutter zu viel ist und der sich von den Forderungen der Mutter bedrängt und überfordert fühlt, auf einen anderen Stuhl. Sodann moderiert der Therapeut einen Dialog zwischen diesen beiden Anteilen, wobei er zeitweise selbst in die eine oder die andere Rolle hineinschlüpft.
Nach Ausarbeitung eines längeren Dialoges zwischen ihren divergierenden inneren Anteilen läd der Therapeut die Patientin ein, nun ihre Mutter auf einem Stuhl zu imaginieren und ihr respektvoll aber deutlich zu sagen, welche Art und welchen Umfang von Kontakt sie künftig zu ihr wünsche.
Werner Eberwein