Was ist Imposter?
1. Bedeutungen im Alltag
- Hochstapler / Betrüger: Eine Person, die vorgibt, jemand zu sein, der sie nicht ist.
Beispiel: „Er gab sich als Arzt aus, war aber ein Imposter.“
2. Psychologischer Begriff: Imposter-Syndrom
Oft wird „Imposter“ im Zusammenhang mit dem Imposter-Syndrom verwendet.
Das Imposter-Syndrom beschreibt das Gefühl,
- trotz objektiver Erfolge das Gefühl zu haben, nicht gut genug zu sein,
- Erfolge auf Glück statt auf Fähigkeiten zurückzuführen,
- Angst, als „Betrüger“ entlarvt zu werden, obwohl man kompetent ist.
Es betrifft viele Menschen, besonders in Schule, Studium, Beruf oder kreativen Tätigkeiten.
Was ist das Imposter-Syndrom?
Das Imposter-Syndrom ist keine offizielle psychische Störung, sondern ein psychologisches Erlebensmuster. Betroffene haben das anhaltende Gefühl, ihre Leistungen nicht verdient zu haben, obwohl objektive Erfolge vorhanden sind. Typisch ist die Überzeugung: „Ich bin eigentlich nicht so kompetent, wie andere denken. Ich habe nur Glück gehabt. Bald merkt jeder, dass ich nicht gut genug bin.“
Typische Symptome / Erlebensweisen
- Chronischer Selbstzweifel
- Erfolge werden externalisiert: „War Zufall / Glück / Hilfe anderer.“
- Angst, entlarvt zu werden
- Überhöhte Ansprüche an sich selbst (Perfektionismus)
- Starke Selbstkritik
- Vermeidung neuer Herausforderungen aus Angst vor Versagen
- Überkompensation (z. B. viel zu viel arbeiten, um Fehler auszuschließen)
Psychologische Hintergründe
Das Imposter-Erleben kann entstehen durch:
- streng leistungsorientierte Erziehung
- wenig Bestärkung in der Kindheit
- internalisierte Erwartungen (z. B. „Ich muss perfekt sein“)
- soziale Vergleiche (z. B. in sehr kompetitiven Umfeldern)
- Minderwertigkeits- und Versagensängste
- gesellschaftliche Faktoren (z. B. Stereotype, Gender-Bias)
Wie wird es in der Psychotherapie behandelt?
Therapeutisch nutzt man häufig Elemente aus:
1. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)
- Identifikation typischer Gedanken („Ich bin nicht gut genug“)
- Realitätsprüfung der Gedanken
- Aufbau einer realistischeren Selbstbewertung
- Bearbeiten von Perfektionismus
2. Schematherapie
- Erkennen zugrunde liegender Schemata (z. B. Unzulänglichkeit/Scham, hohe Standards)
- Arbeit mit dem inneren Kritiker
3. ACT (Akzeptanz- und Commitmenttherapie)
- Umgang mit Selbstzweifel ohne völlige Kontrolle
- Werteorientierte Handlung trotz Unsicherheiten
4. Emotionale Arbeit
- Umgang mit Scham
- Förderung von Selbstmitgefühl
Wann wird es problematisch?
Das Imposter-Erleben wird therapeutisch relevant, wenn es:
- zu übermäßiger Belastung oder Stress führt,
- berufliche oder persönliche Entwicklung blockiert,
- mit Angst, Depression, Perfektionismus oder Burnout-Risiko zusammenhängt.
Hier sind konkrete, psychotherapeutisch fundierte Strategien, die beim Imposter-Erleben nachweislich helfen können. Ich gliedere sie in praktische Schritte, damit du sie direkt anwenden kannst:
1. Gedankenarbeit (Kognitive Verhaltenstherapie)
a) Gedanken realistisch überprüfen
Wenn du denkst:
„Ich kann das eigentlich nicht, ich hatte nur Glück.“
→ Stelle dir bewusst folgende Fragen:
- Welche Fakten sprechen für meine Kompetenz?
- Welche konkreten Handlungen von mir haben zum Erfolg beigetragen?
- Wie wahrscheinlich ist es wirklich, dass es nur Glück war?
Übung:
Schreibe 1–2 objektive Beweise pro Erfolg auf (Fähigkeiten, Vorbereitung, Entscheidungen).
Das hilft, die Wahrnehmungsverzerrung zu korrigieren.
b) Den „inneren Kritiker“ identifizieren
Schreibe den typischen Imposter-Gedanken auf und finde den Gegenbeweis.
Beispiel:
- Kritiker: „Du wirst bald auffliegen.“
- Realistische Antwort: „Ich arbeite seit Jahren erfolgreich, bekomme gutes Feedback, und niemand hat diese Sorge außer mir.“
Diese Übung schwächt den automatischen Impuls.
2. Umgang mit Perfektionismus
Imposter-Gefühle hängen oft an perfektionistischen Standards („Ich muss perfekt sein“).
a) 70%-Regel
Erlaube dir, Aufgaben „gut genug“ statt perfekt zu erledigen.
Setze dir bewusst eine Zielmarke wie: „Ich liefere 70–80 % Perfektion ab.“
b) Fehler normalisieren
Notiere:
- Fehler, den du gemacht hast
- Erkenntnis, die daraus kam
Das wirkt gegen die Tendenz, Fehler als Beweis für Unfähigkeit zu deuten.
3. Verhaltensexperimente
Ein therapeutischer Schlüssel: die Realität testen.
Experiment: „Was passiert, wenn ich nicht überarbeite?“
- Bei einer Aufgabe: Kein Over-Preparation.
- Beobachte:
- Wurde das Ergebnis schlechter?
- Hat jemand etwas gemerkt?
- War deine Befürchtung realistisch?
In 90% der Fälle zeigt das Experiment: Es passiert nichts Negatives.
Das korrigiert das Imposter-System am stärksten.
4. Selbstmitgefühl kultivieren (z. B. nach Kristin Neff)
Imposter-Erleben ist oft Scham-getrieben. Selbstmitgefühl reduziert diese Scham.
Kurze Übung (1 Minute):
- Hand auf die Brust
- Sage dir leise:
- „Es ist okay, dass ich mich so fühle.“
- „Viele Menschen fühlen sich manchmal wie Betrüger.“
- „Ich darf freundlich zu mir sein.“
Das klingt simpel, wirkt aber messbar angstsenkend.
5. Erfolge absichtlich internalisieren
a) Erfolgstagebuch (3 Minuten täglich)
Schreibe jeden Abend:
- Was habe ich heute geschafft?
- Welche meiner Fähigkeiten oder Entscheidungen haben dazu beigetragen?
Ziel: Erfolge als selbstwirksam statt zufällig wahrnehmen.
6. Soziale Realität einholen
Imposter-Gedanken entstehen oft im stillen Kopfkino.
Konkrete Intervention:
Sprich mit einer vertrauten Person und frage:
„Wie nimmst du meine Kompetenz wahr?“
Therapeutisch zeigen sich oft zwei Effekte:
- Die Fremdwahrnehmung ist positiver als erwartet.
- Die Angst „entlarvt“ zu werden löst sich, weil real keine Gefahr besteht.
7. Trigger erkennen
Finde heraus, in welchen Situationen Imposter-Gedanken besonders stark werden:
- Neue Herausforderungen
- Fehler
- Vergleiche mit kompetenten Menschen
- Leistungsdruck
Übung: Bewerte auf einer Skala 0–10, wie stark das Gefühl in einer Situation war und welche Gedanken vorausgingen.
Das erhöht Selbstkontrolle.
8. Werteorientiertes Handeln (ACT)
Statt sich vom Imposter-Gefühl blockieren zu lassen:
Frage: „Was wäre mein nächster Schritt, wenn ich keine Angst hätte?“
Dann diesen Schritt trotz des Gefühls gehen.
Dadurch schrumpft das Imposter-Schema langfristig.
Werner Eberwein
