Was ist Ekel?

Ekel ist wie ein innerer Alarm. Er sagt uns: „Das hier ist nicht gut für dich. Halte Abstand.“ Er schützt uns – vor Vergiftung, vor Krankheit, manchmal auch vor seelischer Überwältigung.

Ekel kann entstehen, wenn wir etwas sehen, riechen oder spüren, das unser Körper oder unser Gefühlssystem als „gefährlich“ einstuft. Das kann ganz real sein – wie verdorbenes Essen – oder auch symbolisch – wie eine Erinnerung, eine Berührung, ein Blick.

Ekel ist oft sehr körperlich: Der Magen zieht sich zusammen, der Atem stockt, der Körper will sich zurückziehen oder sogar übergeben. In diesen Reaktionen steckt die Weisheit unseres Nervensystems: Es versucht, etwas fernzuhalten, was als bedrohlich empfunden wird.

Gerade Menschen, die Grenzverletzungen erlebt haben – etwa in Form von sexualisierter Gewalt oder massiver Beschämung – erleben Ekel nicht nur als Abwehr von äußeren Reizen, sondern oft auch gegen sich selbst: den eigenen Körper, bestimmte Gefühle, sogar die eigene Existenz. Der Ekel richtet sich dann nach innen, als wollte ein Teil sagen: „Ich bin schmutzig. Ich bin falsch.“

Doch dieser innere Ekel ist nicht die Wahrheit über uns, sondern ein Schutzreflex – oft entstanden in Momenten, in denen wir ohnmächtig waren, überfordert, verletzt. Der Körper und das Gefühlssystem versuchten damals, etwas Abgründiges irgendwie zu „entsorgen“.

Ekel ist eine starke, meist spontane emotionale Reaktion auf etwas, das als abstoßend, widerwärtig oder kontaminierend erlebt wird – sei es körperlich, moralisch oder sozial.

1. Biologisch gesehen

Ekel schützt uns, er hilft, potenziell gefährliche Substanzen oder Situationen zu meiden – etwa verdorbene Nahrung, Blut, Fäkalien oder Krankheitserreger. Typische körperliche Reaktionen sind:

  • Würgereiz
  • Übelkeit
  • Rückzug
  • Abwendung des Blicks

2. Psychologisch betrachtet

Ekel ist mehr als eine Sinneswahrnehmung – er betrifft auch das Selbstbild und moralische Empfinden. Menschen können sich zum Beispiel ekeln vor:

  • Bestimmten Gerüchen, Geräuschen oder Bildern
  • Körpern oder Körperflüssigkeiten
  • Anderen Menschen (z. B. bei Stigmatisierung)
  • Sich selbst (z. B. bei Scham, Missbrauchserfahrungen)

In der Therapie taucht Ekel häufig im Zusammenhang mit Trauma, Zwangsstörungen, Essstörungen oder sexuellem Missbrauch auf. Er kann dabei auch ein Schutzmechanismus sein, um sich innerlich zu distanzieren.

In der therapeutischen Arbeit kann es hilfreich sein, Ekel nicht zu bekämpfen, sondern wie ein inneres Warnschild zu sehen. Etwas in uns wollte uns schützen. Wenn wir diesen Schutzmechanismus langsam verstehen und würdigen, kann sich auch der Ekel mit der Zeit verwandeln – in Mitgefühl, in Würde, in Selbstachtung.

Werner Eberwein