Was ist „Wise Mind“?
„Wise Mind“ (auf Deutsch etwa: Weiser Geist oder Weiser Verstand) ist ein zentraler Begriff aus der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) von Marsha Linehan. Es beschreibt einen inneren Zustand, in dem Gefühl und Verstand in Balance sind – also eine Integration von Emotion und Ratio.
Die drei Zustände des Geistes in der DBT:
- Emotional Mind (Emotionaler Geist)
- Handeln und Denken werden stark von Gefühlen bestimmt
- Typisch bei intensiven Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer
- Beispiel: „Ich schreibe ihm sofort eine wütende Nachricht, weil ich mich verletzt fühle!“
- Rational Mind (Rationaler Geist)
- Denken ist logisch, analytisch, distanziert
- Gefühle werden ausgeblendet oder ignoriert
- Beispiel: „Statistisch gesehen ist es nicht sinnvoll, wegen dieser einen Sache enttäuscht zu sein.“
- Wise Mind (Weiser Geist)
- Verbindung von Gefühl und Verstand
- Intuition, innere Klarheit, stimmiges Handeln
- Beispiel: „Ich bin verletzt, aber ich warte mit der Nachricht, bis ich klarer denken kann.“
Wie fühlt sich „Wise Mind“ an?
- Ruhig, zentriert, innerlich stimmig
- Nicht impulsiv, aber auch nicht kalt
- Wie ein tiefes inneres Wissen, was jetzt richtig ist
- Häufig beschrieben als „Bauchgefühl“, das mit Logik übereinstimmt
Warum ist das wichtig?
Gerade Menschen mit intensiven Emotionen (z. B. Borderline-Erkrankung) neigen zu extremen Denkweisen – entweder zu emotional oder zu rational. Der Wise Mind hilft dabei, aus der Mitte heraus zu handeln: authentisch, reflektiert und selbstfürsorglich.
Übungen, um den Wise Mind zu finden:
- Achtsamkeitsübungen
- Atemfokus
- „Stille Frage“: Was sagt mein weiser Anteil gerade?
- Imaginationsübungen: Sich selbst im Wise-Mind-Zustand vorstellen
Meditation: Der Ort deines weisen Geistes
Du kannst dich dazu hinsetzen oder hinlegen – so, wie es für dich angenehm ist.
Lass dir Zeit. Diese Reise gehört ganz dir.
Einstieg
Nimm einen Moment, um bei dir anzukommen.
Spüre den Boden unter dir …
… die Fläche, auf der du sitzt oder liegst.
Lass den Atem einfach kommen und gehen – ohne etwas zu verändern.
Atme ein …
… und aus …
Noch einmal … ein …
… und aus …
Mit jedem Atemzug darf dein Körper etwas mehr loslassen …
Etwas weicher werden …
Etwas ruhiger …
Der innere Ort
Stell dir nun vor, du gehst an einen Ort in deinem Inneren,
der ruhig, sicher und klar ist.
Ein Ort, der dich nicht bewertet.
Ein Ort, an dem dein Gefühl und dein Verstand sich die Hand geben.
Vielleicht ist es ein Ort in der Natur …
ein stiller Wald …
ein warmer Sandstrand …
ein weiter Berggipfel mit weitem Blick …
Oder es ist ein Raum – schlicht, ruhig, friedlich …
Wie auch immer dieser Ort aussieht – er gehört nur dir.
Du kannst ihn jederzeit betreten.
Der Weise in dir
An diesem Ort sitzt ein Teil von dir.
Nicht jünger, nicht älter –
sondern klarer, zentrierter, weiser.
Dein Weiser Geist.
Dieser Teil kennt deine Gefühle –
ohne sich in ihnen zu verlieren.
Er kennt deinen Verstand –
ohne darin zu versinken.
Er sieht beides – und weiß, was jetzt stimmt.
Vielleicht sitzt dieser weise Anteil still da,
mit ruhigem Blick …
Vielleicht lächelt er dir zu.
Vielleicht sagst du ihm etwas –
oder hörst einfach nur zu.
Verbindung
Stell dir vor, wie du dich mit diesem weisen Anteil verbindest.
Durch deinen Atem …
Durch dein Herz …
Durch dein Vertrauen.
Du brauchst nichts zu tun.
Nur da sein.
Und wahrnehmen.
Vielleicht entsteht ein Satz.
Ein Bild.
Ein Gefühl von innerem „Ja“.
Lass es einfach da sein.
Rückkehr
Wenn du magst, kannst du dich verabschieden von deinem Ort.
Du kannst ihn jederzeit wieder aufsuchen.
Vielleicht hat dir dein weiser Anteil noch etwas mitgegeben –
ein Gefühl, ein inneres Bild, ein Satz, den du mitnimmst.
Atme nun ein wenig tiefer ein …
… und aus …
Bewege langsam deine Finger, deine Füße …
Kehre mit einem Gefühl von innerer Klarheit und Stimmigkeit zurück.
In deinem Tempo.
Wenn du soweit bist – öffne die Augen.
Werner Eberwein