Was heißt Empathie?

Empathie heißt die Fähigkeit, die Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive einer anderen Person zu verstehen und nachzuempfinden (auch: Einfühlungsvermögen). Zur Empathie wird gemeinhin auch die Fähigkeit zu angemessenen Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen gezählt, zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz und Hilfsbereitschaft aus Mitgefühl.

Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung – je offener eine Person für ihre eigenen Emotionen ist, desto besser kann sie auch die Gefühle anderer deuten – sowie die Selbsttranszendenz, um egozentrische Geisteshaltungen überwinden zu können.

Drei Formen von Empathie werden unterschieden:

  1. Emotionale Empathie, die Fähigkeit, das Gleiche zu empfinden wie andere Menschen (Mitgefühl); man nennt sie auch emotionale Sensitivität;
  2. kognitive Empathie, die Fähigkeit, nicht nur Gefühle, sondern auch Gedanken und Absichten anderer Menschen zu verstehen und daraus korrekte Schlussfolgerungen zu ihrem Verhalten abzuleiten (vergleichbar mit der Theory of Mind); und
  3. soziale Empathie. Es ist die Fähigkeit, das Verhalten komplexer sozialer Systeme zu verstehen und vorherzusagen. Beispiele für solche Systeme sind Teams, Mannschaften, Projekte, Unternehmen mit deren Abteilungen, Vereine, Parteien, (informelle) Netzwerke, Familien und alle anderen Arten zwischenmenschlicher Beziehungen.

Der angeborene Kern der Fähigkeit zur Einfühlung kann schon bei sehr kleinen Kindern als Affektansteckung beobachtet werden, z. B. wenn sie anfangen zu weinen, wenn ein anderes Kind weint. Allmählich fangen Kinder an, Erlebtes auf einer inneren Bühne nachzuspielen, und es bilden sich Repräsentanzen der Bezugspersonen und der erlebten Beziehungssituationen. Das Kind beginnt „seine Erinnerungen an selbsterlebte Affekte und an affektiv bedeutsame Beziehungssituationen von der aktuellen Wirklichkeitserfahrung abzulösen und als Vorstellungen auf der inneren Bühne auftreten zu lassen.“

Seit der erstmaligen Beschreibung einer speziellen Art von Nervenzellen, nämlich der Spiegelneuronen in der Großhirnrinde von Rhesusaffen im Jahr 1992 wird darüber diskutiert, ob und inwieweit diese Nervenzellen mit der Fähigkeit zur Empathie in Verbindung stehen. Nach heutiger Erkenntnis haben die Spiegelneuronen zumindest die Eigenschaft, gleich zu reagieren, egal ob der Makake ein bestimmtes äußerliches Verhalten selber zeigt oder ob er dieses Verhalten bei anderen beobachtet. Untersuchungen zu Spiegelneuronen lassen zwischen dem Nachahmungsverhalten und der Fähigkeit zur Empathie einen Zusammenhang vermuten, beispielsweise beim Gähnen und beim ansteckenden Lachen. Dieses Phänomen wird jedoch als Gefühlsansteckung bezeichnet und keinesfalls als Empathie. (Diese Vermischung oder Verwechselung findet sich recht häufig auch in wissenschaftlichen Texten.)

In der Psychotherapie bedeutet Empathie eine Strategie der Stimmungsübertragung vom Patienten auf den Therapeuten. Dadurch ist es dem Therapeuten möglich, die Emotionen und die Stimmung des Patienten bei sich selbst zu erleben und somit besser zu verstehen. Es ist ein aktiver Prozess des einfühlenden Verstehens. Dieser ist notwendig, weil Patienten belastende Emotionen in der Regel leugnen, ablehnen, bekämpfen oder vermeiden. Der Therapeut muss daher eine korrigierende, akzeptierende und wertschätzende Haltung einnehmen, damit er die belastenden Emotionen besser nachvollziehen und geeignete therapeutische Maßnahmen effektiver einleiten kann. Dieses Einfühlungsvermögen (Empathie) ist nicht nur im Zusammenleben der Menschen, sondern auch für die Ausbildung von Psychologen und Psychotherapeuten wichtig.

Bei Heinz Kohut und der von ihm begründeten Selbstpsychologie wird die Empathie zum entscheidenden Wirkfaktor der psychoanalytischen Behandlung. Nicht mehr allein die Bewusstmachung des zuvor Unbewussten bewirkt die Heilung des Selbst, sondern diese wird vor allem dadurch ermöglicht, dass der Analytiker den Patienten mit angemessener Empathie begleitet. Dadurch kann dieser im Rahmen der schützenden Abstinenz eine neue korrigierende Beziehungserfahrung machen, diese nach und nach in die eigene psychische Organisation aufnehmen, so dass es zu einer umwandelnden Verinnerlichung kommt.

Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Empathie