Wie funktioniert biodynamische Stethoskopmassage?

Dass ein akustischen oder elektronischen Stethoskops als Biofeedbackinstrument für bestimmte Formen der psychotherapeutischen Massage verwendet werden kann, wurde von Gerda Boyesen entdeckt. Als junge Physiotherapeutin bemerkte sie, dass in manchen Momenten während ihrer Massagesitzungen bei ihren Klienten deutlich vernehmbare Bauchgeräusche zu hören waren. Diese Klienten berichteten nach der Sitzung von einem besonders angenehmen, tief entspannten Zustand und einem Gefühl der Befreiung und Erleichterung im Vergleich zu ihrem Befinden vor der Behandlung. Boyesen begann daraufhin, während ihrer Massagebehandlungen die peristaltischen Bewegungen der Verdauungsorgane mit einem Stethoskop zu verfolgen und orientierte sich an diesen bei der Massage.

Zur Erklärung der Massagebehandlung mit Stethoskop-Feedback entwickelte Boyesen eine Theorie der Psychoperistaltik (Boyesen 1987). Durch Stethoskopmassage sei es möglich, den Organismus vom sympathischen zum parasympathischen Tonus hin umzustimmen und den Klienten körperlich und psychisch aus einer chronischen Stressposition zu einem psychosomatischen Loslassen und Verdauen von Restspannungen zu führen, was an einer Zunahme bestimmter peristaltischer Geräusche festzustellen sei. Gleichzeitig würden die selbstheilenden Fähigkeiten des Organismus und die selbstregulativen Funktion der Psyche aktiviert.

Beispiel: Ein 48jähriger Klient beschreibt seinen Zustand als „überangespannt, gestresst, hektisch und aufgebracht“. Er befindet sich in einer akuten Krise, die von einem Konflikt am Arbeitsplatz ausgelöst wurde. Sein Gesicht ist gerötet und wirkt aufgequollen. Seine Stirn und seine Wangen sind heiß, seine Hände und Füße sind kühl. Sein Körperenergiesystem wirkt wie ein Heißluftballon, der nach oben steigt. Seine Körperenergie sammelt sich im Kopfbereich, weil sie keine angemessene Möglichkeit der Entladung oder Beruhigung findet. Ich bitte den Klienten, sich auf den Massagetisch zu legen, lege ihm ein Stethoskop auf den Bauch und massiere 40 Minuten lang seinen Kopf, seine Hände und seine Füße. Während der Massage höre ich im Stethoskop ein dauerhaftes, lautes Gurgeln. Der Kopf des Klienten wird kühler, die Ödem-artigen Schwellungen im Gesicht nehmen ab, Hände und Füße werden warm, Atmung und Herzschlag beruhigen sich. Am Ende der Sitzung sagt der Klient: „Ich fühle mich viel ruhiger … als ob ich innerlich wieder auf dem Teppich bin.“

Wenn die Stethoskopmassage über einen längeren Zeitraum angewandt wird, schmilzt sie die Abwehrstauungen in den Geweben des Körpers allmählich ab und öffnet auf sanfte Weise die Wahrnehmungskanäle des Klienten nach innen und nach außen.

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Werner Eberwein