Wie finde ich einen guten Psychotherapeuten?

Bei der Suche nach einem Psychotherapeuten geht es hauptsächlich darum, ob er und der Patient zusammen „passen„, d.h. die „Chemie“ muss stimmen, und zwar von beiden Seiten.

Es gibt einige Kriterien, auf die man bei der Suche nach einem Therapeuten achten kann.Ein Therapeut sollte:

  • sich viel und fortgesetzt mich sich selbst auseinandergesetzt haben, d.h. viel Eigentherapie mit verschiedenen Methoden gemacht haben (professionelle Supervision ist auch wichtig, reicht aber nicht aus – der Therapeut muss auch selbst viel Patient gewesen sein),
  • mehrere psychotherapeutische Ausbildungen absolviert haben, also unterschiedliche Therapierichtungen gelernt haben (die einzelnen therapeutischen Richtungen sind z.Z. so einseitig, dass ein Therapeut, der nur einer einzigen Richtung angehört, in Gefahr ist, blind für Prozesse zu sein, für die diese Richtung keine detaillierten Konzepte entwickelt hat),
  • von seinem Auftreten her weder aufgeblasen noch gehemmt sein, sondern als realer Mensch erscheinen, der sich seiner Fähigkeiten aber auch seiner Mängel bewusst ist,
  • sich selbst als Suchender sehen d.h. als verwundeter Heiler (der er sowieso ist, ob er das so sieht oder nicht),
  • eine gut geübte Fähigkeit zur Einfühlung (Empathie) haben und sich darin weder hinter vorgefertigten Konzepten noch hinter einem „inneren Schreibtisch“ (also hinter Pseudodistanz) verschanzen,
  • fähig sein, sich auch in die Anteile des Patienten hineinzufühlen, die dieser nur schwer in sich selbst wahrnehmen oder anerkennen kann,
  • ein weites moralisches Spektrum haben, also auch die Anteile des Patienten, die ihm zunächst fremd sind, weder ignorieren noch abwerten,
  • einen offenen und lernbegierigen Geist und viel Toleranz für ihm fremde Erlebnisweisen, Lebensgeschichten, Gefühle und Bedürfnisse haben,
  • warmherzig anteilnehmend und gleichzeitig professionell abgegrenzt sein,
  • „satt“ genug in Bezug auf Zuwendung, Nähe und Aufmerksamkeit sein, diese Bedürfnisse also nicht mit dem Patienten befriedigen wollen,
  • konflikt- und auseinandersetzungsfähig sein, also keine allzu große Angst vor Aggressionen und Verwicklungen haben.

Fragen die zu Beginn mit dem Therapeuten geklärt werden sollten sind unter anderem:

  • Mit welchen Verfahren arbeitet der Therapeut hauptsächlich?
  • Bringt er andere Verfahren oder Methoden zusätzlich in gewissem Umfang ein?
  • Kann die Therapie über die Krankenkasse finanziert werden? Wie sind die Antragsformalitäten?
    – Wenn ja, welches Verfahren und wie viele Stunden maximal?
    – Wenn nein, wie hoch ist das Honorar? Wie sind die Zahlungsmodalitäten (bar, Überweisung nach Rechnung)?
  • Welche Sitzungsfrequenz kann der Therapeut anbieten (z.B. eine Sitzung oder mehrere die Woche, vierzehntägig)?
  • Arbeitet der Therapeut ausschließlich mit Reden (d.h. verbal) oder auch mit nonverbalen Methoden (z.B. Rollenspiele, Trance, Körperarbeit)?
  • Arbeitet der Therapeut von seinem Schwerpunkt her eher verstehend (empathisch) oder eher verändernd (transformativ)?
  • Arbeitet er von der Zeitorientierung her eher analytisch (Bezüge zur Biografie aufdeckend) oder eher im Hier-und-Jetzt oder eher zukunftsorientiert?
  • Arbeitet der Therapeut von seinem Stil her eher begleitend, führend, deutend oder konfrontativ?
  • Ist er von seinem Temperament her eher sanft und behutsam oder eher forsch und herausfordernd?
  • Versteht er den therapeutischen Prozess eher als etwas, das sich prozesshaft und kooperativ mit dem Patienten (autodynamisch) entwickelt, oder folgt er bestimmten Vorgaben (z.B. von Theorien oder aus Handbüchern oder Programmen)?
  • Kann sich der Therapeut vorstellen, mit dem Therapiesuchenden zu arbeiten? Ab wann? Einzeln oder in der Gruppe?

Auch weitere Faktoren wie Alter und Geschlecht, Lebens- und Berufserfahrung sowie die soziale Herkunft des Therapeuten und des Patienten spielen eine Rolle für die „Passung“ mit dem Patienten. Ebenso sagen Ort, Einrichtung und Gestaltung der Praxis viel über den Charakter und die Arbeitsweise des Therapeuten aus. Es würde hier zu weit führen, all diese Faktoren mit ihren Varianten darzustellen. Wenn Sie genaueres wissen wollen, könnten Sie in meinem Buch „Humanistische Psychotherapie“ (Thieme-Verlag 2009) nachlesen.

Um einen Therapeuten zu finden, ist der beste Weg wohl die Mundpropaganda, d.h. rumfragen, wer bei wem schon mal Therapie gemacht hat und wie das bei dem war (aber Achtung: wenn dem einen Patioenten ein Therapeut gefällt/gut getan hat, muss das überhaupt nicht für den anderen Patienten zutreffen).

Ansonsten gibt es diverse Beratungsstellen (unabhängige und verfahrensgebundene) und Ambulanzen (die meistens nur an einen begrenzten Therapeutenkreis ihres eigenen Verfahrens überweisen) und die Vermittlungsstelle der lokalen Kassenärztlichen Vereinigung, die immer weiß, wer von den Kassentherapeuten in der Umgebung gerade freie Plätze hat, ohne aber viel darüber zu wissen, wie die Therapeuten sind und arbeiten. Ein weiterer Weg geht über die Ausbildungsinstitute der jeweiligen Verfahren, die oft im Internet Therapeutenlisten führen, in denen sich auch noch mal Details zu den jeweiligen Spezialgebieten des Therapeuten finden. Das Ganze ist oft kein leichter Weg, man muss unter Umständen mit mehreren Therapeuten Vorgespräche führen, bis es dann bei einem „klick“ macht.

Werner Eberwein