Welche Trance-Tiefen gibt es?

Der Übergang vom Wachbewußtsein in die Trance hinein und zurück geschieht nicht so, als ob jemand auf einmal das Licht aus- und wieder einschaltet, sondern in der Regel allmählich und oft unmerklich. Solche Zustandsveränderungen, die vom Patienten kaum bemerkt werden, und an die er sich hinterher nicht oder nur unvollständig erinnert, sind geradezu ein Kennzeichen von modernen (ericksonschen) Trance-Prozessen. Der Therapeut beginnt zu sprechen, und man ist schon in einer leichten Trance, und hat es gar nicht gemerkt. Dann wird die Trance tiefer, und man hat nicht gemerkt, wie sie tiefer geworden ist. Dann wacht man auf und hat gar nicht gemerkt, dass man vorher „eingeschlafen“ (in Tieftrance) war. Trance-Prozesse bestehen ja gerade darin, dass man einiges nicht oder nicht vollständig mitbekommt. Trance ist ein Kontinuum, ein fließender Übergang zwischen dem kontrollierten Alltagsbewusstsein und den Abgründen und Schatzkammern des Unbewussten.

  • Der obere Pol dieses Kontinuums ist der alltägliche Wachzustand, in dem das Bewusstsein aktiv und willentlich kontrolliert und in zielgerichtete Aktivitäten eingebunden ist.
  • Zu Beginn der Trance-Induktion wird das Bewusstsein in der Regel suggestiv fokussiert (das heißt auf einen bestimmten Gegenstand der Wahrnehmung konzentriert). Zum Beispiel können die Augen auf einen Gegenstand gerichtet werden, oder die Aufmerksamkeit wird auf eine bestimmte Körperregion oder eine bestimmte Empfindung konzentriert. Durch suggestive Verstärkung dieser Fokussiertheit tritt ein Teil des Gewahrseins allmählich immer mehr in den Vordergrund, andere Teile rücken in den Hintergrund oder werden ausgeblendet. Es entsteht ein Zustand, der als „Faszination“ bezeichnet wird: die Aufmerksamkeit ist weitgehend in einen bestimmten Gegenstand absorbiert, und der Patient ist dadurch bereits in einem leichten Trancezustand.
  • In mittlerer Trance nimmt der Klient seinen Bewusstseinszustand als diffus, verschwimmend oder entgleitend wahr. Zeitweise träumt er und ist mit Bildern und Phantasien beschäftigt. Mehr und mehr folgt der Patient den Suggestionen des Therapeuten mit seinem Erleben und seinen Handlungen. Das Bewusstsein kann in mehrere Anteile gespalten oder vom Körper gelöst („dissoziiert“) erlebt werden. Der Hypnotisierte wartet relativ passiv auf die Anleitungen des Hypnotiseurs. Die Präsenz des Hypnotiseurs als Person tritt allmählich in den Hintergrund und wird zeitweise nicht mehr bewusst wahrgenommen. Gleichzeitig übernehmen die Suggestionen stellvertretend die Kontrollfunktionen des Ich.
  • In Tieftrance wird das Bewusstsein als „leer“, ohne Inhalt wahrgenommen, wie im traumlosen Tiefschlaf. Der Hypnotisierte erinnert sich nachher an Teile der Trance oder an den gesamten Trance-Zeitraum nicht mehr, obwohl er währenddessen auf die Suggestionen des Therapeuten reagiert hat (möglicherweise sogar im Raum herumgegangen ist oder Fragen beantwortet hat – letzterer Zustand wird als „Somnambulismus“, d.h. als hypnotisches Schlafwandeln bezeichnet). Wenn der Patient in Tieftrance ruhig daliegt oder -sitzt, hinterher eine Amnesie für das Trancegeschehen hat und in Trance auf die Suggestionen des Hypnotiseurs reagiert hat, spricht man von „hypnotischem Schlaf“.

Werner Eberwein