Was sind Erickson’sche Sprachmuster?
Was sind Erickson’sche Sprachmuster?
Ein klassischer, direktiver Hypnotiseur formuliert seine Suggestionen als Behauptungen oder Befehle, z.B.: „Ihre Schultern sind jetzt ganz locker“, oder „Entspannen Sie sich jetzt“. Formulierungen dieser Art führen bei vielen Patienten zu Irritationen, weil sie sich gegängelt und manipuliert fühlen und dadurch zu einem unnötigen und unfruchtbaren Machtkampf mit dem Hypnotiseur. Milton Erickson dagegen benutzte in der Hypnose oft eine kunstvoll vage, verschwommene Sprache, um seine Patienten auf sanfte Weise in Trance zu führen und ihnen Suggestionen auf eine Weise zu übermitteln, die die Bereitschaft des Patienten, sich in Trance führen zu lassen, erhöhte. Das geschah unter anderem durch bestimmte linguistische Formen:
- Tilgungen. Wenn Erickson z.B. Entspannung suggerieren wollte, sprach er bspw. davon, dass „Empfindungen von Entspannung sehr angenehm sind“. In diesem Satz liegt eine Tilgung vor, es ist nämlich nicht klar, wem die Entspannung eigentlich angenehm sein soll. Einem allgemeinen Satz, wie: „Entspannung ist sehr angenehm“, kann man schwer widersprechen, er wirkt auf eine angenehme und wohltuende Weise einlullend, also trancefördernd.
- Komparative ohne Bezugsgröße. Sie können für sanfte Induktionsformulierungen benutzt werden, z.B.: „Sie können sich gleich noch viel tiefer entspannen“. Dem Komparativ „tiefer“ ist hier seine Bezugsgröße abhandengekommen (tiefer als was bzw. als wann?). Der Satz wirkt durch die dadurch entstehende Vagheit einlullend und hypnotisch.
- Nominalisierungen. Sie sind hypnotisch wirkungsvoll, weil sie wie allgemeine Statements über „die Dinge an sich“ klingen, obwohl implizit klar ist, dass sie sich eigentlich nur auf den Patienten beziehen können. Eine der gebräuchlichsten Nominalisierungen ist „die Entspannung“ wie in dem Satz: „Entspannung ist so angenehm“. In diesem Satz sind Subjekt und Objekt getilgt, es ist nicht mehr klar, wer eigentlich was entspannt. Deswegen kann man dem Satz nur zustimmen, er fördert die Bereitschaft, die in ihm enthaltene Suggestion von Entspannung anzunehmen.
- Generalisierungen. Etwas Ähnliches geschieht, wenn der Hypnotiseur nicht konkret von „Entspannung“ spricht, sondern allgemein z.B. von „angenehmen Gefühlen“. z.B.: „Sie können diese angenehmen Gefühle genießen“. Hier ist nicht mehr klar, von welchen angenehmen Gefühlen eigentlich die Rede ist. Da der Patient aber vermutlich immer irgendwelche angenehmen Gefühle hat, fühlt er sich angesprochen, gesehen und begleitet. Der Satz führt bei ihm quasi zu einem inneren Kopfnicken. Der Patient stimmt ihm innerlich zu („Ja-Haltung“, „Yes-Set“) und nimmt die enthaltene Suggestion gerne an.
- Verzerrungen. In der Suggestion: „Mit jedem Ausatmen werden Arme und Beine mehr entspannt“ ist bspw. ein behaupteter Ursache-Wirkung-Zusammenhang enthalten. Wieso sollten sich eigentlich die Arme und Beine beim Ausatmen mehr entspannen? Der kausale Zusammenhang wird in diesem Satz schlicht behauptet. Dennoch wirkt er suggestiv, weil die beabsichtigte Suggestion (Entspannung) pseudokausal an ein unausweichliches Verhalten des Patienten (Ausatmen) geknüpft ist.
- „Gedankenlesen“. Wenn der Hypnotiseur auf suggestive Weise vorgibt, die Gedanken des Patienten lesen zu können, z.B.: „Ich weiß, daß Sie sich entspannen wollen“, dann fühlt der Patient eine subtile Verbundenheit zu dem Hypnotiseur. Die Rapportbereitschaft steigt, obwohl der Hypnotiseur genau genommen nicht wissen kann, daß der Patient sich entspannen will.
- Suggestionen in Form von Negationen. Suggestionen in negativer Form wie z.B.: „Sie brauchen sich nicht zu entspannen“, sind dazu geeignet, einen eventuellen Widerstand des Patienten durch die Negativ-Formulierung bereits vorwegzunehmen, um ihm „den Wind aus den Segeln zu nehmen“. Wenn der Patient sich gegen die Entspannung sträubt, ist ihm mit diesem Satz dafür die Erlaubnis gegeben, gleichzeitig wird er implizit eingeladen, sich doch zu entspannen. Der Satz wirkt suggestiv entspannend, auch wenn rein sprachlogisch das Gegenteil gesagt wird.
- Suggestionen in Frageform. Einer in Frageform formulierten Suggestion kann man sich schwer entziehen, z.B.: „Können Sie sich erinnern an eine Situation, in der Sie sehr entspannt waren?“ Wenn man so gefragt wird, bleibt einem nahezu nichts anderes übrig, als sich an eine Situation zu erinnern, in der man sehr entspannt war – und schon ist man der Suggestion nachgekommen, obwohl eigentlich gar keine gegeben worden ist.