Was ist Trancekörperarbeit?

Veränderte Bewusstseinszustände (genannt „Trance“) entstehen häufig beiläufig in der Körper- und Bewegungsarbeit. Wenn man sie als solche erkennt und weiß, was in Trance-Zuständen möglich ist, wie man Menschen gezielt in eine Trance hinein- und sicher wieder herausführt, wie man mit Menschen in Trance kommuniziert ohne dass sie „aufwachen“, wie man sie in ihrem Trance-Erleben begleitet, und wie man Trance-Zustände therapeutisch nutzen kann, entsteht eine fruchtbare integrative Arbeitsweise: Trancekörperarbeit.

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Was ist Trance?

In der modernen Hypnotherapie nach Milton Erickson hat es sich eingebürgert, einen relativ weiten Begriff von Trance zu verwenden. Unter Trance versteht man alle nicht-alltäglichen psychischen Zustände, in denen man weder im alltäglichen Sinn wach ist noch schläft.

Der Begriff Trance umfasst somit Zustände vertiefter Entspannung, meditative Versenkung, Imagination, starkes emotionales Involviertsein, „Flow“, aber auch hochenergetische, z.B. ekstatische oder kathartische Zustände, wie sie etwa bei Tanzritualen in Naturvölker oder in intensiven körperpsychotherapeutischen Sitzungen auftreten können. Auch von pathologischen Formen von Trance ist die Rede, wie sie z.B. im Verlauf von Panikattacken oder von Depressionen auftreten. Menschen in Trance sind in traumhafte, autodynamische, „trance-logische“ Erfahrungen absorbiert, die sie nur begrenzt bewusst steuern und nachher nur teilweise erinnern können („hypnotische Amnesie“).

In der humanistischen Körperpsychotherapie kann Trance verstanden werden als dialogischer, intersubjektiver Prozess in einem partiell geteilten, vertieften Versenkungszustand, der hypnosuggestive Kommunikation mit dem und zwischen den Unbewussten der Beteiligten sowie teilbewusste psychosomatische Resonanzprozesse einschließt. Vermittelt über das Körpererleben und den Körperausdruck kann das Unbewusste des Patienten befragt werden, und therapeutische Transformationen können direkt oder indirekt suggestiv eingeladen und gesteuert werden.

Trance durch Körperarbeit

Als körperorientierter Einstieg in Trance-Zustände kann z.B. das Sich-Hineinspüren in die unmittelbare Körperwahrnehmung oder in zunächst noch vage Ganzheitsempfindungen im Körper („Felt Sense“) dienen. Trance-Arbeit kann körperorientiert kombiniert werden mit Einladungen zum nonverbalen Ausdruck durch Bewegungen, Gesten, Körperhaltung oder Mimik sowie mit Einladungen, den spontanen Körperimpulsen zu folgen, die mit einem bestimmten Thema assoziiert sind („freie Assoziation mit dem Körper in Trance“). Bewegungsimprovisationen in Trance können mit Musik begleitet werden, wodurch ein improvisierter Trance-Tanz entstehen kann.

Tiefentspannung und Trance kann auch durch Berührung und Massage eingeleitet werden, wobei körperenergetische Prozesse direkt mit den Händen begleitet und beeinflusst werden können, oder auch durch Veränderungen des Atemmusters, was großen Einfluss auf den psychoenergetischen Tonus hat. Der Patient kann beispielsweise eingeladen werden, seinen Atem zu vertiefen, was (vor allem wenn es durch entsprechende Musik und spezielle Körperarbeit unterstützt wird) in tiefe, archaische Trance-Zustände hineinführt („Rebirthing“, „Holotropes Atmen“).

Trance-Arbeit – wozu und wie?

Die therapeutische Anwendung von Trance-Prozessen kann helfen, vom bloßen kognitiv-distanzierten (und therapeutisch weitgehend ineffektiven) „Darüber-Reden“ oder „Darüber-Nachdenken“ weg und zu einem vertieften, transformativen Erleben hin zu kommen.

Trance-Zustände haben spezielle psychotherapeutisch nutzbare Möglichkeiten. Die Psyche ist in Trance offener und flexibler für Erfahrungen und Wandlungen. Beispielsweise kann sich ein Patient in Trance in das subjektive Erleben (in eine „Vision“) seiner persönlichen Zukunft hineinversetzen, in der z.B. ein bestimmtes Problem gelöst ist, und dann quasi „rückwärts“ untersuchen, wie diese Lösung zustandegekommen ist („Pseudo-Orientierung in der Zeit“). Oder er kann sich in Personen seiner Kindheit hineinspüren, die an der Entstehung von pathogenen Beziehungsmustern beteiligt waren und auf diese Weise alte Dynamiken erforschen und ggf. auch verändern („hypnotische Altersprogression“).

Der hypnotische Zustand erfordert eine spezifische Art der Begleitung, insbesondere eine spezielle Sprache und Sprechweise („hypnosuggestive Kommunikation“) um seine Möglichkeiten umfassend nutzen zu können, und um zu verhindern, dass der Patient sich spontan aus der Trance zurückorientiert („aufwacht“). Ein Patient in Trance muss auf besondere Weise geschützt werden, weil seine Abwehrgrenzen vorübergehend weit geöffnet sind. Insbesondere muss er vor erschreckenden äußeren Reizen oder unbeabsichtigten Negativsuggestionen geschützt werden, was ein differenziertes Verständnis der Formen und der Funktion verbaler und nonverbaler, direkter und indirekter Suggestionen erfordert.

Durch Körperarbeit gehen Patienten oft beiläufig in „Spontantrancen“. Wenn diese erkannt werden, können sie auf dieselbe Weise therapeutisch genutzt werden wie explizit hypnotisch induzierte Trancen. Im Rahmen von Trance-Zuständen kann dann wiederum körperorientiert gearbeitet werden: Körperarbeit kann Trancezustände herbeiführen, und in Trance kann Körperarbeit intensiver erlebt und feiner gesteuert werden.

Wozu Trance?

In Trance kann der Patient leichter als im Wachzustand Kontakt mit seinem Unbewussten aufnehmen, dieses also z.B. direkt befragen oder um konkrete Veränderungen bitten. In Trance kann der Patient sich von belastenden Gefühlen oder Erinnerungen distanzieren („therapeutische Dissoziation“) oder biografische Wurzeln aktueller Probleme erforschen („Hypnoanalyse“).

Beispiel: Eine bekannte und relativ einfache Form, um Trance-Zustände im Rahmen von Körperarbeit einzuladen ist die imaginative „Reise in den Körper“, die sich besonders zur Bearbeitung psychosomatischer Störungen eignet. Dabei wird der Patient eingeladen, sich zu versenken und dann vorzustellen, dass er „als ein kleines Wesen“ an einer Stelle, die sich dazu eignet, in den eigenen Körper „hineinzuschlüpft“ und dann in einer Art hypnotischem Traum in seinem eigenen Körper „herumreist“. Er kann sich dabei Körperregionen anschauen, „die Heilung brauchen“, mit ihnen kommunizieren und auf verschiedenen Weise dort heilsame Veränderungen bewirken. Beispielsweise kann der Patient eine psychosomatisch erkrankte Körperregion befragen, was mit ihr ist, was sie braucht und was er tun kann, damit sie wieder gesund wird, und sich den Heilungsprozess dann in Trance intensiv und detailliert vorstellen.

In der Körperpsychotherapie gehen wir davon aus, dass das, was in psychodynamischen Richtungen als „das Unbewusste“ bezeichnet wird, „verkörpert“ ist. Das bedeutet unter anderem, dass Abwehrprozesse (Verdrängung, Spaltung usw.) eine körperliche Ebene haben (z.B. chronische Muskelspannungen, Atembegrenzungen, Verhärtung von Faszien usw.). Körperorientierte Trance-Arbeit ist daher ein besonders fruchtbarer Weg um mit dem verkörperten Unbewussten des Patienten Kontakt aufzunehmen.

Beispielsweise kann ein Patient, der aufgrund eines belastenden Lebensereignisses ein „Grummeln im Bauch“ spürt, sich in dieses hineinversenken, es in visueller Fantasien verwandeln (z.B. ein heraufziehendes Gewitter) und auf diese Weise die Bedeutung und die existenzielle Botschaft dieses Zustandes erkunden. Sodann kann er, wieder vermittelt über körperliche Empfindungen und unterstützt bspw. durch eine Berührung des Therapeuten, die Gewitter-Fantasie in ein ressourcenvolles Erleben von Kraft und Vitalität verwandeln.

Trance-Prozesse eignen sich zur Transformation psychovegetative Zustände z.B. von hektischer Anspannung zu entspannter Gelassenheit, von ängstlicher Agitiertheit zu geerdetem In-sich-Ruhen, sowie zur Aktivierung abgewehrter Gefühle und Erinnerungen.

Im Versenkungszustand ist es leichter möglich, sowohl Probleme als auch Ressourcen im Körper und als körperliche Empfindungen zu lokalisieren. Sobald ein Patient beispielsweise eine Angst körperlich als Druckgefühl auf der Brust lokalisiert hat, ist es möglich, diese Angst auf der körperlichen Ebene anzugehen und z.B. Veränderungen des Atemmusters einzuladen. Wenn ein ressourcenvolles Gefühl von Kraft und Vitalität im Unterbauch lokalisiert wird, kann dieses von dort aus durch körperorientierte Trance-Arbeit stabilisiert, gestärkt oder ausgedehnt werden.

Viele Patienten leiden unter den Folgen chronischer Mangelzustände aus der frühen Kindheit, beispielsweise an einem Mangel an Aufmerksamkeit, Zuwendung, liebevollem Gehaltenwerden, Schutz oder körperlichem Kontakt. Der Trancezustand ermöglicht es, dem Patienten korrektive emotionale Erfahrungen zu vermitteln, die quasi-halluzinatorisch so erlebt werden, als ob der Patient „wirklich“ z.B. ein Säugling und der Therapeut seine Mutter sei. Auf imaginative Weise können reparative Beziehungserfahrungen in der Psychotherapie stattfinden, ohne die Grenzen der psychotherapeutischen Abstinenz zu verletzen.

In Trance kann sich der Patient auch auf körperliche Weise mit Ressourcen oder Ressourcen-Symbolen verbinden, sich beispielsweise „stabil wie ein Baum“, „mutig wie ein Löwe“ oder ähnliches fühlen, dies mit großer Intensität psychovegetativ erleben und körperlich ausdrücken und imaginativ in eine Problemsituation in der Zukunft „mitnehmen“.

Beispiel: Ein relativ einfach strukturierter körperorientierter Prozess hypnotherapeutische Arbeit könnte damit beginnen, das Therapeut und Patient gemeinsam das zu bearbeitende Problem oder Thema fokussieren. Dann kann der Therapeut, falls erforderlich, die häufig vorhandene Tendenz des Patienten, auf eine distanzierte Weise („bloß im Kopf“) über das Problem/Thema zu reden, freundlich unterbrechen und den Patienten einladen, sich nach innen, zu seinen mentalen Prozessen und besonders seinen Körperwahrnehmungen in hin zu orientieren. Er kann den Patienten bitten, das Thema im Körper und als Körperempfindung zu spüren. Dafür ist es erforderlich, dass sich der Patient Zeit nimmt, um sich in sein Körperempfinden hinein zu versenken. Der Therapeut kann ihn dann einladen, sein Atemmuster wahrzunehmen, zunächst ohne es zu verändern. Und/oder der Patient kann das Problem, mit dem er sich gerade beschäftigt, durch ein Körperritual auszudrücken (z.B. eine Geste mit einer Hand). Dann kann der Therapeut auf hypnosuggestive Weise einen Problembewältigungsprozess im Patienten einladen, den Patienten also z.B. anregen, die Funktion seines Problems besser zu verstehen, vermiedene oder abgewehrte Anteile zu integrieren oder spezifische Ressourcen zu kontaktieren und zu aktivieren. Sodann kann der Therapeut den Patienten bitten, „in die äußere Welt zurückzukommen und alles mitzubringen, was auf der bewussten Ebene fruchtbar ist, und im Unbewussten weiterwirken zu lassen, was dort konstruktiv wirkungsvoll werden kann“ („posthypnotische Suggestion“).

Eine weitere Möglichkeit, Körperpsychotherapie und Trance-Arbeit zu verbinden, sind Tanz- und Bewegungsrituale, wie sie bspw. von Bhagwan/Osho entwickelt wurden (z.B. Kundalini, Nararaj, Whirling usw.), und die als Techniken in Psychotherapie und Selbsterfahrung fruchtbar eingesetzt werden können.

Trance-Imaginationen sind außerdem hilfreich in der Arbeit mit nonverbalen Kontakt- und Abgrenzungssignalen, die es dem Patienten ermöglicht, sein Beziehungsverhalten zu reflektieren und seine Nähe- und Abgrenzungswünsche im Alltag auch auf der nonverbalen Ebene klarer zu signalisieren.

Im psychotherapeutischen Prozess sind Therapeut und Patient nicht nur auf einer bewussten, kognitiven Ebene, sondern auch auf psychovegetativen, Fantasie- und unbewussten Ebenen miteinander in Kontakt („psychovegetative Resonanz“). Diese Prozesse können psychotherapeutisch genutzt werden, indem der Therapeut Bewältigungs-Intuitionen, die er aus seiner Trance-Resonanz mit dem Patienten schöpft, in den psychotherapeutischen Prozess einbringt. Für diese Arbeitsweise ist ein vertieftes Verständnis der besonderen Möglichkeiten und der technischen Erfordernisse von interaktiven Tranceprozessen und -zuständen hilfreich.

Ein humanistischer körperorientierter Trance-Prozess kann verstanden werden als professionell-interpersonales inneres und äußeres „Dialogfeld“. Dabei befinden sich sowohl der Patient als auch der Therapeut im „inneren Dialog“ mit ihrem jeweiligen verkörperten Unbewussten, bei dem sie, vermittelt über Körperempfindungen und Körperausdruck, Botschaften aus ihrem Unbewussten empfangen und ihrem Unbewussten Veränderungsimpulse geben können. Zugleich befinden sich beide miteinander in einem „äußeren“, intersubjektiven Dialog, der sowohl verbal als auch nonverbal, sowohl auf bewussten, also auch auf teilbewussten und unbewussten Ebenen abläuft.

In Trance kann der Patient im Körper Kontakt zu latenten Ressourcen aufnehmen und abgespaltene Anteile seiner Persönlichkeit integrieren. Der innere Dialog des Patienten kann vom Therapeuten auf hypnosuggestive Weise moderiert werden. Gleichzeitig befindet sich auch der Therapeut in einem inneren Dialog mit ressourcenvollen und abgespaltenen Anteilen in seinem eigenen Unterbewusstsein, vermittelt über seine Körperwahrnehmungen (in „Co-Trance“). Auch er kann auf diese Weise innere Botschaften empfangen, die er auf konstruktive Weise in den Trance-Prozess einbringen kann.

Werner Eberwein