Was ist Holotropes Atmen?
Holotropes Atmen ist eine von Stan Grof entwickelte Atemtechnik, mit deren Hilfe man in tiefe Erfahrungsbereiche eintreten kann, die dem Alltagsbewusstsein normalerweise nicht zugänglich sind. Ziel ist die Erfahrung und Integration abgespaltener Persönlichkeitsanteile und eine Hinbewegung auf die Ganzheit der Person, was durch den Begriff „holotrop“ zum Ausdruck gebracht werden soll (von gr. holos: ganz, trepein: sich richten auf).
Die Holotrope Atemarbeit besteht aus einer Kombination von:
- beschleunigtem und vertieftem Atmen,
- erlebnisevozierender Weltmusik,
- gezielten Körperinterventionen (z.B. Druckmassage, Ermutigung des Ausdrucks von Gefühlen)
… sowie im Anschluss an die Atemerfahrung aus:
- (Mandala-)Malen und
- Sharing (Erfahrungsaustausch).
Holotropes Atmen kann als eine körperorientierte Tieftrance-Selbsterfahrung auf einem stark erhöhten Energieniveau verstanden werden. Der Protagnoist atmet so tief und schnell, wie es ihm möglich ist und drückt, unterstützt durch einen Begleiter (den „Sitter“) und den Leiter der Gruppe seine Emotionen körperlich und mit der Stimme aus.
Die Atemtrance wird beim Holotropen Atmen als Eintauchen in die Abgründe der eigenen Seele erlebt, das mit einem hochenergetischen Träumen im Wachzustand oder mit Erlebnissen mit halluzinogenen Drogen vergleichbar ist.
Der Prozess, der in der Originalform drei Stunden dauert, findet in der Regel in einem Paar-Setting in Gruppen statt. Er beginnt langsam, intensiviert sich, erreicht einen Höhepunkt und klingt dann allmählich aus. Im Laufe des Prozesses kann es zu kathartischen Ausbrüchen und ekstatischen Erfahrungen kommen, die unterstützend begleitet werden.
In dynamischen Atemtrancen kommt es oft zu intensiven, wachtraumartigen Erlebnissen, z.B.:
- ein Teilnehmer fühlt sich im Laufe einer Atemtrance als Walfisch und glaubt, er könne die Sprache der Wale verstehen,
- eine Teilnehmerin erlebte ein mittelalterliches Ritual, in dem sie geopfert wurde,
- eine andere Teilnehmerin erlebte eine Szenerie, in der sie ein böser Dämon war, der alles Leben auf der Erde auslöscht.
Solche quasi-halluzinatorischen Atemtrance-Erlebnisse aus den Tiefen der inneren Bilderwelt müssen auf ähnliche Weise integriert, deutend verstanden und verarbeitet werden wie Träume oder vergleichbare Erlebnisse während dynamischer Körperübungen.
Bei der Arbeit mit Techniken der Atemverstärkung kann es zu starken vegetativen und emotionalen Reaktionen kommen. Daher sollten Personen, die z.B. unter Herz-Kreislaufkrankheiten, Epilepsie oder schwerem Asthma leiden, schwangere Frauen oder Menschen mit frischen Operationswunden nicht an Rebirthing teilnehmen. Ebenso ist diese Technik für Klienten mit fragiler Struktur nicht oder nur in abgeschwächten Varianten geeignet.
Am Rebirthing in seiner Originalform nach Orr wird kritisiert, dass die Atemtranceerlebnisse nicht psychotherapeutisch bearbeitet, nicht kritisch reflektiert und gedeutet werden, und dass die körperliche und seelische Stabilität der Teilnehmer vor der Teilnahme oft nicht ausreichend geprüft wird.
Ich verwende Techniken der Atemverstärkung daher stets behutsam und eingebettet in langfristige psychotherapeutische Prozesse, um Kontraindikationen ausschließen, die Intensität des Erlebens begrenzen und die Atemerfahrungen hinterher mit dem Klienten aufarbeiten und integrieren zu können.