Was ist Dialogische Trance-Begleitungs-Arbeit?

Dialogische Trance-Begleitungs-Arbeit (DTBA) ist ein von mir (Werner Eberwein) entwickeltes Modell für eine humanistisch geprägte Anwendungsweise von Hypnotherapie. In der DTBA bleiben Patient und Therapeut auch während der Trance/Hypnose weitgehend in verbalem Kontakt, sprechen also (zeitweise) miteinander, obwohl der Patient in einer (eher leichten bis mittleren) Trance ist und der Therapeut ein Stück weit mit ihm in eine Co-Trance geht.

Die Problembewältigung-und Wachstumsprozesse des Patienten entstehen in der DTBA nicht primär durch den hypnosuggestiven Einfluss des Therapeuten, sondern in einem kreativen und wechselseitigen, gemeinsamen Such- und Bewältigungsprozess, der sich in der Interaktion zwischen Patient und Therapeut kooperativ entwickelt. Die entscheidenden Impulse kommen dabei aus den Potenzialen im Unbewussten des Patienten, die dort in Form von

  • verdrängten oder gespaltenen Anteilen, oder
  • aktuell nicht unmittelbar zugänglichen Fähigkeiten und ressourcenvollen Zuständen

latent verfügbar sind. Das primäre „therapeutische Agens„, also das, was den therapeutischen Fortschritt hauptsächlich bewirkt, sind die unbewussten Potenziale des Patienten, die durch den Trance-Dialog-Prozess kontaktiert, integriert und angewandt werden können.

Beiläufige Induktions-Anker

Zur Induktion der Trance und zur Reorientierung zurück in den Wachzustand wird in der DTBA häufig mit beiläufigen Trance-Ankern gearbeitet. Vor allem wenn dem Patienten die Therapiesituation und die Abläufe darin schon etwas vertraut geworden sind, entstehen eine implizite Routinen, die es dem Patienten ermöglichen, mithilfe von relativ kleinen Hinweisreizen weitgehend selbstständig in Trance zu gehen. Beiläufige Induktions-Ankern sind beispielsweise:

  • der Wechsel zu einem anderen Ort im Raum (von einem Stuhl zu einer Trance-Liege) oder zu einer anderen Körperhaltung (sich anders hin setzen oder sich hinlegen),
  • ein Wechsel des Therapeuten in eine (dem Patienten bereits bekannte und vertraute) Trance-spezifische Stimmlage,
  • Worte, die der Therapeut vorwiegend im Trance-Setting verwendet (z.B.: “ dich nach innen orientieren“, „geschieht ganz von selbst“, „dein Unbewusstes kann“ „träumen von“ usw.),
  • Motive, die der Therapeut in der Kommunikation mit dem Patienten zur Einleitung des der Trance immer wieder verwendet (z.B. Fokussierung auf den Atem, Wärme im Bauch, eine Leinwand-Szenerie o.ä.).

Wenn der Therapeut solche beiläufigen Induktionsanker mehrfach verwendet hat, dann reicht es mitunter, wenn er diese nur ganz sachte „antippt“, und der Patient empfindet das unterschwellig als Signal für einen Zustandswechsel in die Trance hinein.

Beiläufige Trance-Induktion

DTBA wird in der Regel beiläufig angewandt, also ohne das Setting formell als Hypnose zu bezeichnen und ohne formelles hypnotisches Ritual. Diese Arbeitsweise kann vor allem dann indiziert sein, wenn der Therapeut bemerkt, dass der Patient im Gespräch auf der reflexiven Ebene nicht weiterkommt, so dass die Gefahr besteht, durch eine lange Phase fruchtlosen „Darüber-Redens“ wertvolle Therapiezeit zu verschwenden.

Der Therapeut kann dann den Patienten einladen, in seinem Redefluss innezuhalten und sich nach innen zu orientieren, also seinem unmittelbaren Erleben zuzuwenden. Am einfachsten geschieht das dadurch, dass der Patient Kontakt mit den Körperempfindungen aufnimmt, die zu dem von ihm gerade besprochenen Problem gehören (Beispiel siehe unten). Nun spricht der Patient nicht weiter „über“ etwas in einem Modus des „Darüber-hinweg-Redens“, sondern er spürt das Thema unmittelbar in seinem Körper – was eine gute Voraussetzung für eine konstruktive psychotherapeutische Bearbeitung ist.

Als nächstes kann der Psychotherapeut den Patienten einladen, ein Fantasiebild entstehen zu lassen, das zu seinem körperlich gespürten Erleben in diesem Moment passt. Wenn der Therapeut, ausgehend von diesem Symbol, den Assoziationen des Patienten folgt, entsteht eine autogene, vom Therapeuten in Co-Trance empathisch begleitete Bearbeitungsdynamik, in deren Verlauf der Therapeut die spontanen (konstruktiven oder misslingenden) Bewältigungsversuche des Patienten verfolgen und suggestiv

  • eine Integration abgewehrter Anteile und/oder
  • eine Aktivierung latenter Ressourcen

anregen kann (siehe unten unter „Recycling-Suggestionen“). Wenn auf diese Weise konstruktive Integrations- bzw. Bewältigungsschritte des Patienten erfahrbar wurden, kann der Therapeut den Patienten (bzw. dessen Unbewusstes) posthypnotisch einladen, diese Erfahrungen nach der Therapiesitzung weiterzuführen und im praktischen Leben zu erproben bzw. anzuwenden, um den Patienten dann wieder auf die Funktionsebene des Alltagsbewusstseins zu reorientieren.

Eine solche beiläufige Trance kann nur wenige Minuten, oder auch eine ganze Sitzung lang dauern.

Recycling-Suggestionen

Die Psyche des Patienten versucht unentwegt, auf verschiedenen Ebenen des Gewahrseins (bewusst, teilbewusst, unbewusst), ein Problem, das den Patienten beschäftigt, zu bewältigen. Diese autogenen Bewältigungsversuche können therapeutisch genutzt („utilisiert“) werden, was als „Recycling-Suggestion“ bezeichnet wird.

  • Ein Teil dieser Bewältigungsversuche sind hilfreich. Dabei handelt es sich z.B. um konstruktive Intuitionen, um spontane Einfälle, die dem Patienten bei der Verarbeitung eines Problems helfen können. Oder es handelt sich um hilfreiche Ergebnisse konstruktiven Nachdenkens, von Gesprächen, Auseinandersetzungen mit sich selbst oder mit anderen usw. Wenn der Therapeut den Assoziationen des Patienten folgt, so werden solche hilfreichen Bewältigungsversuche deutlich. Der Therapeut greift solche hilfreichen Bewältigungsversuche auf und gibt sie auf hypnosuggestiv verstärkte Weise an den Patienten zurück. Die einfachste Form eines eines bekräftigenden Recycling wäre das „verstärkende Papageien-Pacing“. Beispiel: Der Patient sagt in einer leichten Trance: „Ich glaube, ich muss mehr Abstand zu meiner Mutter gewinnen.“ Der Therapeut greift das vestärkend auf: „Aha, Du hast das Gefühl, Du müsstest mehr Abstand zu Deiner Mutter gewinnen(!).

    Dabei betont der Therapeut die unterstrichenen Worte auf suggestive Weise (nur leicht, damit es nicht penetrant wirkt). Ein solches verstärkendes wortwörtliches Wiederholen würde im Wachzustand als nervig empfunden, in Trance wird es aber als angemessene, abgestimmte und genauestmöglich zutreffende Begleitung empfunden. Gleichzeitig bestärkt es suggestiv einen potentiell konstruktiven Bewältigungsversuch.

  • Andere Bewältigungsversuche misslingen, führen also nicht zu einer befriedigenden Weiterentwicklung oder zu einem angemessenen Abschluss oder Entschluss, so dass der Patient in ihnen „festhängt“. Wenn der Patient versucht, ein Problem psychisch zu bewältigen, das er nicht bewältigen kann, so können automatische Gedankenkreisläufe entstehen, die der Patient schwer wieder abstellen kann, obwohl sie unproduktiv sind („Grübeln“). Solche unproduktiven Bewältigungsversuche können vom Therapeuten im Trance-Prozess umgewandelt („reframed“), und in umgewandelter Form dem Patienten als Suggestion zurückgegeben werden. Die einfachste Form eines Reframings würde darin bestehen, einen „festhängendenden“, dysfunktionalen psychischen Bewältigungsversuch dem Patienten in grammatikalisch negativer Form als Suggestion zurückzugeben. Beispiel: Der Patient sagt: „Ich glaube, ich bin dafür einfach zu dumm.“ Der Therapeut reframed: „Du hast das Gefühl, dass du das geistig noch nicht bewältigen kannst.“

    Vor allem wenn der Therapeut die unterstrichenen Worte suggestiv betont („analog markiert“) kann durch die grammatikalische Umformung ein suggestiver Impuls für einen konstruktiven Bewältigungs- und Wachstumsprozess gesetzt werden.

Der DTBA-Prozess

Der DTBA-Prozess beginnt in der Regel mit einer impliziten Trance-Induktion, indem der Patient eingeladen wird, sich auf sein aktuelles subjektives Erleben zu fokussieren und sich in dieses hinein zu absorbieren.

Beispiel: Der Patient berichtet davon, dass ihm gerade ein neuer Job angeboten wurde, und dass er unsicher ist, ob er die damit verbundenen Anforderungen erfüllen kann. Der Therapeut sagt: „Schließe bitte die Augen, geh mit deiner Aufmerksamkeit nach innen und vergegenwärtige dir, worum es geht: ‚Kannst du die Anforderungen erfüllen?‘ Nun spüre in deinem Körper, wie sich dieses Thema im Moment in dir anfühlt.“

An dieser Stelle (und auch immer wieder zwischendurch im DTBA-Prozess) ist es wichtig, dass der Therapeut dem Patienten viel Zeit lässt, um „innerlich zu arbeiten“. Das kann nach außen hin so wirken, als ob „nichts“ geschieht, aber gerade in diesen Phasen von „Nichts“ geschieht oft in der Innenwelt des Patienten sehr viel, teilweise bewusst, teilweise an der Grenze des Gewahrseins, teilweise im Unbewussten.

Nach einer Weile kann der Therapeut den Patienten behutsam fragen, ob der Patient dem Therapeuten etwas von der Entwicklung seines subjektiven Erlebens mitteilen möchte, wenn und in dem Umfang, wie es für den Patienten passt. (Diese vorsichtige Art des Fragens ermöglicht es dem Patienten, gegebenenfalls auch für längere Zeit im Zustand einer mittleren Trance zu verweilen ohne mit dem Therapeuten zu sprechen, um dort Bewältigungs-Assoziationen teils zuzuschauen, teils innerlich-aktiv zu handeln.)

Der Therapeut kann „das Unbewusste“ des Patienten als „therapeutisches Agens“ einführen. Das bedeutet, dass er hypnosuggestiv impliziert, dass es im Inneren des Patienten eine Instanz gibt, die über latente Ressourcen verfügt, die zur Bewältigung des Problems fruchtbar werden können. Er kann den Patienten z.B. einladen,

  • sich von seinem Unbewusstem führen zu lassen,
  • sein Unbewusstes um Hinweise bitten oder
  • sein Unbewusstes um eine konkrete Veränderung bitten.

Beispiel: Der Patient steht in seiner Fantasiewelt vor einer Betonwand ohne Türen und Fenster als Symbol für sein Erleben, „nicht weiter zu kommen“. Der Therapeut lädt ihn ein: „Vielleicht kannst du dich von deinem Unbewussten/deinem Bauch/deinem inneren Wissen führen/beraten/coachen lassen. … … … Wir könnten auch direkt dein Unbewusstes um einen Hinweis bitten, der dir eine Richtung zeigen kann. … Oder wir könnten dein Unbewusstes einladen, eine konkrete Veränderungen zu bewirken, die du vielleicht zuerst noch gar nicht bemerkst. … Dein Unbewusstes hat viele Möglichkeiten, sich zu äußern oder Wirkungen hervorzubringen … … … durch Bilder … Worte … Gefühle … Erinnerungen … Träume … in dem du dich in etwas oder jemandem hinein versetzt fühlst … es kann auch scheinbar zunächst nichts geschehen … oder plötzlich erlebst du etwas … erst einige Zeit nach dieser Sitzung …“.

Wenn der Patient im Laufe des Prozesses mit ressourcenvollen Anteilen in Berührung gekommen ist, kann der Therapeut diese an bestimmte Auslösereize oder Situationen knüpfen („ankern„), so dass sie dem Patienten auch nach der Trance zur Verfügung stehen:

Beispiel: Der Patient sagt „Mir wird gerade ganz warm in der Brust. Ich spüre eine vibrierende Kraft dort.“ Der Therapeut sagt: „Du kannst diese Kraft in dein Herz aufnehmen, so dass du sie in deinem Alltag … und auch bei diesem Gespräch mit deinem Vorgesetzten nächste Woche … intensiv zur Verfügung hast …“

Gegen Ende der Trance-Erfahrung kann der Therapeut nochmals betonen, dass manche Veränderungen sich auch unbemerkt oder erst längere oder lange Zeit nach der Trance einstellen können, um posthypnotisch Weiterbearbeitungs- und Anwendungsprozesse („Transfer„) einzuladen.

Dann orientiert er den Patienten wieder zurück in die äußere Welt:

Beispiel: „Du kannst dich jetzt langsam wieder zurückorientieren in die äußere Welt, dabei alles mitbringen was wichtig ist, so dass du in kurzer Zeit – sobald du einmal tief durchatmest, dich reckst und streckst und die Augen öffnest – wieder hellwach im Hier und Jetzt bist.“

Werner Eberwein