Ist Hypnose Manipulation?

Diese Frage wird von Patienten und Kollegen manchmal, von Pressevertretern in Interviews fast immer gestellt. Dahinter verbirgt sich die Unsicherheit, ob es mit Hypnose bspw. möglich sei, jemandem Geheimnisse zu entlocken, die er im Wachzustand nicht preiszugeben bereit wäre, oder ihn zu Handlungen zu verleiten, die im kontrollierten Zustand seinem moralischen Empfinden widersprechen würden. Diese Ängste waren schon immer mit dem Begriff Hypnose verbunden. Sie werden leider gefördert durch die entwürdigenden Darbietungen von Showhypnotiseuren und die bedenkenlose Eigenwerbung mancher, bloß auf kurzfristige Effekte abzielender Hypnotiseure.

Tatsächlich befindet sich ein Mensch in Trance in einem geöffneten Zustand, in dem seine Empfänglichkeit für direkte oder indirekte Suggestionen des Hypnotiseurs erhöht ist. Darüber hinaus arbeitet die Hypnotherapie mit dissoziativen Techniken, deren Wirksamkeit auch darauf beruht, dass sie ganz oder teilweise am Bewusstsein des Patienten vorbeigehen. Milton Erickson, der Erneuerer und Begründer der modernen Hypnotherapie, war ein Meister strategischer Trance-Interventionen, deren Absicht, Richtung und Technik dem Patienten oft nicht oder nicht vollständig bewusst war.

Hypnosuggestive Techniken werden darüber hinaus von Geheimdiensten, Sekten, in der Werbung sowie in fundamentalistischen politischen und religiösen Systemen bewusst oder de facto angewandt, um ethisch fragwürdige Ziele zu erreichen oder um durch Ausübung psychischer Gewalt Menschen auf schädigende Weise zu verwirren oder ihnen und ihrem Umfeld Schaden zuzufügen. Hypnosuggestive Kommunikation ist, wie jede andere wirksame psychotherapeutische Methode auch, ein Instrument, mit dem man Heilungsvorgänge bewirken, aber auch Schaden anrichten kann.

Im Bereich der Psychotherapie ist der Begriff Manipulation in der Regel negativ konnotiert:

„Von Manipulation eines Menschen spricht man dann, wenn die Annahme eines Identifikationsangebots oder einer Ware und Dienstleistung nicht zu seinem Vorteil, sondern zu seinem Nachteil führt“. (Wikipedia, Stichwort „Manipulation“, Abfrage 14.4.2013, 17:46 Uhr)

Eine so verstandene Manipulation widerspricht diametral der psychotherapeutischen und ärztlichen Berufsethik und ist daher strikt abzulehnen. Dagegen ist eine behutsame und kooperative Einflussnahme auf den Patienten auf Basis grundsätzlicher und immer wieder reflektierter Übereinkünfte über die Ziele des Prozesses, die die Würde und die existenzielle Wahlfreiheit des Patienten unterstützt und fördert, ein wichtiger wachstums- und heilungsfördernder Aspekt jeder Psychotherapie, ja in der Regel sogar der Grund, warum ein Patient überhaupt einen Psychotherapeuten aufsucht.

Da ein Hypnotherapeut nicht bei jeder einzelnen Detail-Intervention den Patienten aus der Trance wieder in den Wachzustand zurückführen kann, um seine explizite Erlaubnis einzuholen, muss jeder Hypnotherapeuten fortgesetzt kritisch reflektieren, ob er in seiner Arbeit von den vorher vereinbarten und wohlverstandenen Zielvorstellungen des Patienten geleitet wird, und ob er innere Reflexionsprozesse im Patienten zur Ausformung eigener, authentischer und wahlfreier Entscheidungen mit seiner Arbeit fördert. Orientierung können uns dabei die schriftlich fixierten Menschenrechte geben, die von engagierten Humanisten in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und in die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen hineingeschrieben wurden. Davon abgeleitet könnten wir als Grundsatz formulieren:

„Die Würde und Wahlfreiheit des Patienten ist unantastbar. Sie zu respektieren und zu fördern ist oberste Verpflichtung jeder hypnotherapeutischen Arbeit.“

Besonders wenn es um existenzielle Orientierungsfragen geht (z.B. „Soll ich den Beruf wechseln?“, „Soll ich mich scheiden lassen?“, „Wollen wir ein Baby bekommen?“) ist eine inhaltliche hypnosuggestive Einflussnahme des Therapeuten auf die Entscheidungen des Patienten strikt abzulehnen, ebenso wie Beeinflussungen, die der Befriedigung von narzißtischen oder sonstigen Bedürfnissen des Therapeuten dienen. Dagegen sind hypnosuggestive Einladungen, sich in Trance in Verbindung mit den spezifischen Fähigkeiten des Trancezustandes zu setzen, um existenziellen Entscheidungen auf vertieften Ebenen des Gewahrseins und im Dialog zwischen dem Bewusstsein und dem Unterbewusstsein, vermittelt über Emotionen, gründlich durchzuarbeiten und dadurch zu einer authentischen Wahlentscheidung zu finden, ein wichtiger und heilungsfördernder Aspekt hypnotherapeutische Arbeit.

Werner Eberwein