Was ist eine schizoide Persönlichkeitsstörung, und wie wird sie behandelt?

Bei der schizoiden Persönlichkeit handelt es sich um eine Kontaktstörung in Bezug auf die emotionalen Beziehungen zu anderen Menschen, zur Umwelt und zum eigenen Körper. Die schizoide Persönlichkeitsstörung (von griechisch schizo = „abgespalten“) darf nicht mit Schizophrenie verwechselt werden.

Kennzeichen

Kennzeichen einer schizoiden Persönlichkeit (ICD10 F60.1) sind:

  • eine starke und anhaltende Tendenz zum Rückzug von gefühlsmäßigen und sozialen Kontakten zu anderen Menschen,
  • trotz einem starken (oft überstarken) Sehnsucht nach inniger Gemeinsamkeit, ja Verschmelzung mit anderen ist die Fähigkeit zum Ausdrücken von Emotionen und zur Aufnahme emotionaler Kontakte vermindert,
  • eine einzelgängerische Lebensweise und in sich gekehrte emotionale Zurückhaltung bis Blockiertheit,
  • ein begrenztes Vermögen, durch Worte oder mimische Ausdruck Gefühle auszudrücken,
  • eine Vorliebe für abstrakte Fantasien und theoretische Wissenschaften,
  • Schwierigkeiten mit Augenkontakt bei gleichzeitiger intensiver Erreichbarkeit durch körperlichen Kontakt,
  • in der Regel sind soziale Alltagskontakte und tiefe Beziehungen nur in geringem Umfang vorhanden,
  • es fällt ihnen schwer, Wärme für andere zu vermitteln,
  • sie wirken introvertiert, in sich gekehrt und ungesellig,
  • die emotionale Erlebnis- und Mitschwingungsfähigkeit, sowie die emotionale Ansprechbarkeit ist vermindert.
  • schizoide Menschen erscheinen oft starr, hölzern und befremdlich,
  • ihr Verhalten ist oft für andere schwer nachvollziehbar,
  • gelegentlich zeigen sie unvermittelte Gefühlsausbrüche im Wechsel mit unerwarteten, plötzlichen Rückzügen,
  • im geselligen Umgang erscheinen schizoide Menschen unzugänglich,
  • schizoide Persönlichkeiten zeichnen sich oft durch einen hohes Maß an intellektueller Differenziertheit, großen Fantasiereichtum, geistige Stimuliertheit sowie soziale Unabhängigkeit und Ungebundenheit aus,
  • aufgrund ihres sozial befremdlichen Verhaltens werden sie oft sozial ignoriert oder ausgegrenzt und ziehen Spott und Hänseleien auf sich,
  • Schizoide haben oft einen deutlich mangelndes Gespür für geltende soziale Konventionen oder Normen und neigen daher dazu, diese nicht wahrzunehmen oder zu ignorieren,
  • im sozialen Kontakt stoßen sie andere oft vor den Kopf, wirken scheu und verschrobenen,
  • sie sind sehr empfindlich und ertragen Nähe und Intimität schwer, obwohl sie sich gleichzeitig sehr danach sehnen,
  • Schizoide sind überaus empfindlich gegenüber Zurückweisung und Herabsetzung,
  • oft können sie Kontaktwünsche nicht richtig dosieren, daher wechseln distanzlose Annäherungsversuche mit abrupten Rückzügen einander ab,
  • oft können Sie die Gefühle anderer Menschen nicht sicher einschätzen oder einordnen,
  • gleichzeitig haben sie oft eine große Fähigkeit zum intuitiven Erfassen komplexer Zusammenhänge und auch emotionaler Befindlichkeiten anderer.

Entstehung

  • Besonders anfällig für die Entstehung einer schizoiden Struktur sind Menschen, die als Kinder von ihrem Temperament her hochgradig sensibel und irritierbar waren.
  • Oft handelt es sich um unerwünschte Kinder, denen das „Strahlen in den Augen der Mutter“ gefehlt hat.
  • Oft wuchsen sie unter Bedingungen emotionaler Vernachlässigung oder in chaotischen sozialen Verhältnissen auf, in denen die Eltern nicht ausreichend in der Lage waren, das Kind zu verstehen oder sich ihm liebevoll zuzuwenden.
  • Auch über brüske, ruppige und grenzüberschreitende, raue Formen der Fürsorge wird berichtet.

Behandlung

Die schizoide Persönlichkeitsstörung ist (im Vergleich beispielsweise zur narzisstischen oder Borderline-Persönlichkeitsstörung) wissenschaftlich relativ wenig untersucht. Aktuelle differenzierte Konzepte zur psychotherapeutischen Behandlung schizoider Störungen sind kaum entwickelt. Hypnotherapeutische Konzepte zur Arbeit mit schizoiden Struktueren (und zur Arbeit mit Persönlichkeitsstörungen überhaupt) sind selten und wenig bekannt.

In der Psychotherapie bei einer schizoiden Struktur ist kurzzeittherapeutisch (beispielsweise durch Hypnose als Kurzzeittherapie) nicht viel zu erreichen. Es muss vielmehr mit einem längeren Psychotherapieprozess gerechnet werden, in dem der behutsame, allmähliche Aufbau und das Aufrechterhalten einer vertrauensvollen Beziehung zum Psychotherapeuten bei angemessener Distanz im Zentrum des psychotherapeutischen Prozesses steht (d.h. die „Chemie“ zwischen beiden muss stimmen). Mit welchen Verfahren der Psychotherapeut dabei arbeitet, ist demgegenüber weniger entscheidend.

Werner Eberwein